Anmerkung 1: Einmal weg von der Farbe, solche Fotos aus dem Tal gibt es zuhauf (siehe Link), der Melzer probierte einige monochrome Aufnahmen mit der Leica-Linse.
Anmerkung 2: Bevor gleich zu Beginn dieses Eintrags eine Diskussion über politisch korrekte Bezeichnungen losbricht, der Ausdruck „die Gezeichneten“ stammt von einem leider längst verstorbenen, sehr guten Freund, selbst dieser Spezies zugehörend. Sprichwörtlich konnte man’s nehmen, denn wer sich im Tal zur Behandlung begab, den hatte das Leben – in vielen Fällen – zumeist schon ein wenig „gezeichnet“.
„Die Einen ertrinken im Überfluss, die Anderen im Meer, ein Terrorist sprengt glücklich einen Flughafen leer, und ein Nazi schießt zufrieden auf ein Flüchtlingsheim, da fühlt man sich als Mensch manchmal allein.“
(Der Schweizer Liedermacher FABER, aus dem Lied „In Paris brennen Autos“)
Gerne sinnierte der Melzer. Über die Welt an sich, über sich und das voranschreitende Alter, aber auch darüber, wie gut es ihm und den meisten Menschen seiner Generation in den letzten Jahrzehnten ergangen war.
Mit zunehmendem Alter rennt dir die Zeit aber sowas von um die Ohren, dass diese im Fahrtwind nur mehr leicht flattern können. Ein Jahr, was ist schon ein Jahr, wenn wieder einmal eine kleine Reise ansteht, auf die man sich freut. Sogar sehr freut. Und dabei geht es nicht einmal um eine vom Zeitgeist ausgerufene Muss-Reise in die Pflichtdestination des Jahres, nein, der Melzer begab sich, wie schon so oft, in die fachkundigen Hände der physiotherapeutischen Folterknechte des Gasteinertales. Gut so, denn durch sein ständiges Daheimbleiben entfernte er sich ohnehin immer mehr von all den Reisenden.
Der Melzer war einer, der brauchte die Früchte der Sehnsucht nicht so. Der stand mit beiden schiefen Beinen auf dem Boden des Alltags, jedoch erfreute sich sein Herz an so vielen kleinen Dingen, dass ein Abheben gar nicht notwendig war. Die Beidbeinigkeit ermöglichte ihm auch einen kleinen Schutz vor Ungemach, das Hoffen auf Wunder war nicht seines, auch er war sensibel, aber emotional hatte er die grauslichen Themen wie Alter oder Tod ganz gut im Griff, was ihm manchmal ein wenig fälschlich ausgelegt wurde. Auch das ewige Suchen war nicht das seine, da hatte er viel zu viel Bammel vor der möglichen Konsequenz nie anzukommen.
Ein Häuptling Leichtfuß bist du mit dieser Grundeinstellung nicht, aber bei allem Ernst hatte der Melzer das Lachen nie verlernt. Letztlich stellen wir Altgewordenen die Frage, was wollen wir eigentlich noch von der verbleibenden Zeit, im Wissen des Guten, das uns widerfahren ist. Und wieder einmal suchte der Melzer mit etwas Ironie die Antwort auf 845 m Seehöhe, zwischen den Gipfeln der Hohen Tauern. Mal schauen, ob am Ende dieses Eintrags vielleicht ein paar Antworten zu finden waren. Was der Elite ihr Forum Alpbach war, war dem Melzer das Gasteinertal.
„I red so lang scho durch die Nosn, glaubst i kenn ned, wos Du sichst?
Mit Zähnt wia bei die Hasen, gräults ma entgegen, des oide G’sicht!“
(Alex Miksch, Titel „Nosse Schuach“)
Anfang Juli im Gasteinertal war richtig schön! Es roch stets nach frisch gemähtem Heu, nach Bauernkrapfen oder Heidelbeerstrudel. Bis spät nach 20 Uhr erstrahlten die Gipfel der umliegenden Berge im warmen, abendlichen Sonnenlicht. Irgendwann später kroch kühle Luft durch das Tal und die Geruchskulisse veränderte sich in Richtung „grillender Nachbar“.
Oben blühten Almrausch, Enzian, Teufelskralle u.v.m., argwöhnisch wurden die zahlreichen Wanderer von den Murmeltieren beäugt. Hin und wieder ein letztes, kleines Schneefeld, bei der Querung immer noch tückisch. Weit glitt der Blick über Gipfel und Gletscher der Hohen Tauern. Auch so ging Sommer...
Philosophie
Dank seines Verstandes, jedoch nur im Falle, dass er ihn auch einsetzt, ist der Mensch als einziges Lebewesen dazu in der Lage, über sich selbst nachzudenken. Werden also nicht allzu viele unserer Spezies tun. Dennoch wichtig für jeden Einzelnen, eine tiefe, befriedigende Antwort auf den Sinn des Lebens zu finden. Ein echter Sinn im Leben gibt dem Menschen Sicherheit und bildet die Basis für Zufriedenheit und Glück. An einer völlig sinnlosen Welt würde der Mensch verzweifeln. Der eigene Sinn des Lebens dient ihm als innerer Kompass im Sturm der Welt, als Schutzschild, die Höhen und Tiefen des Lebens zu meistern.
„Das Wissen um eine Lebensaufgabe hat einen eminent psychotherapeutischen und psychohygienischen Wert“, sagte etwa der österreichische Neurologe und Psychiater Viktor Frankl. „Wer um einen Sinn seines Lebens weiß, dem verhilft dieses Bewusstsein mehr als alles andere dazu, äußere Schwierigkeiten und innere Beschwerden zu überwinden!“.
Politik I
Es werden zwar alle die Augen verdrehen, aber noch ein letztes Mal möchte der Melzer an die mittlerweile in Printform eingestellte Wiener Zeitung erinnern. Wenn man sein Gesabber nicht mehr hören konnte, dass hier demokratiepolitisch ein geschmackloser, bedenklicher und nicht notwendiger Schritt gesetzt wurde, dann konnte er die Stimmen nicht mehr hören, die da der Meinung sind, dass sich ein modernes Medium digital behaupten muss.
Wir leben in einer Schlagzeilengesellschaft, Hintergrundberichte werden von knapp 90 % der Menschen nicht mehr gelesen, es genügt eine vor die Füße geworfene Schlagzeile, leicht hysterisch gepusht, um bei den meisten Menschen für die richtige Gemütsstimmung zu sorgen. Egal, ob wahr oder nicht! Dazugehörend: Gezielte Desinformation, also Falschheiten! Dabei besorgniserregend: Tatsächliche Gefährdung unserer Demokratie, die bewusst von einer gefährlichen Minderheit zunehmend angegriffen wird.
Schaut Euch in den Öffis um, auf der Straße, in Lokalen. Es rennen tatsächlich nur mehr digitale Zombies durch die Gegend, den Blick stetig und starr auf das Mobilephone gerichtet. Sicherlich aber nicht, um gerade in Berichten einer unabhängigen Qualitätszeitung zu blättern. Der Melzer hatte während der letzten Erscheinungswochen einige ausgesuchte Exemplare zur Seite gelegt, um diese dem Privatarchiv zuzuführen. Sollte in ein paar Jahren einmal Interesse bestehen, wie denn damals Journalismus hoher Qualität und Unabhängigkeit funktioniert hat, kann man gerne bei unserer Schrulle vorbeischauen, um einen Blick in die Exemplare zu werfen. Dieser Tag könnte früher kommen, als uns vielleicht lieb ist!
Sein Appell sei all denen gewidmet, die es bisher ein wenig zu locker mit der Wahrheit nahmen. Seid kritisch, ja, aber bitte auf fundierten Antworten. Hinterfragt 3x das Gehörte, dann werdet Ihr feststellen, dass die Hälfte davon, wenn nicht heiße Luft, dann Lug und Trug sind. Außerdem gilt dasselbe wie schon vor 50 Jahren, informiert Euch nicht nur bei einer Quelle, die Anzahl und der Unterschied machen die Musik.
Und wenn wir schon bei den Medien sind und manchmal noch immer nicht glauben wollen, dass die „Orbanisierung“ auch in Ö um sich greift:
Zahlreiche Beispiele weisen darauf hin, dass die Glaubwürdigkeit von Journalisten zu untergraben mittlerweile geübte Praxis ist. Deklariert sich ein/eine Journalist*in als liberal oder linksliberal, erfolgt postwendend die Attacke, man redet von „Mainstream“ im besten Fall, eher aber verächtlich von Systemmedien. Unliebsame Stimmen werden sofort versucht zum Schweigen zu bringen. Als Beispiel weiß zB Florian Klenk schon öfters ein Lied davon zu singen, zuletzt wieder einmal mit der ÖVP-NÖ. Oder erinnern wir uns an Kärnten, wo Franz Miklautz wegen seiner Recherche im Klagenfurter Rathaus gleich einmal in den Würgegriff dieser überheblichen Bagage genommen wurde. Die öffentliche Entschuldigung kam nach einem allgemeinen Aufschrei spät, aber sie kam.
Politik II
Können wir es besser?
Weltweit sinkt die Zahl der Demokratien, im „Westen“ steigt kontinuierlich die Unzufriedenheit mit dem politischen System. Das Vertrauen sinkt ständig, waren 2018 noch 64 % der Meinung, dass das politische System in Österreich zumindest „ziemlich gut“ funktioniert, konnten sich mit dieser Meinung 2022 nur mehr 34 % (!!) identifizieren.
Warum erwähnte dies der Melzer?
Eine der heutigen Gefahren war schon immer da! Eine denkende Minderheit fürchtet sie, eine schmollende und dumpfe Mehrheit provoziert sie. Der Melzer wurde das Gefühl nicht los, dass die Stimmung kippte. Mehr und mehr ertönen die Stimmen, die vor dem Wiederaufflammen des Faschismus warnen.
Als der Rechtspopulismus zum ersten Mal auftauchte, verbunden mit Namen wie Jörg Haider oder Silvio Berlusconi, dachte man nicht wirklich daran, dass es sich um faschistische Parteien handelte. Sie wollten nicht mit Lederjacken und Hakenkreuzen marschieren, dachten nicht an Völkermord. Sie waren eine Art plebejischer Konservatismus, eine Ablehnung des Sozialliberalismus und ein neuer Nationalismus. Damals waren die eigentlichen faschistischen Gruppen klein, in einigen Ländern waren sie verboten, oft isoliert.
Vor gut 20 Jahren war man der – aus heutiger Sicht – irrigen Annahme, dass rechtspopulistische Parteien eine Art Brandmauer gegen den tatsächlichen Faschismus sind. Die Rechten verschwenden ihre Zeit damit, diese „dummen Zehn-Prozent-Parteien“ ins Parlament zu wählen, wo sie niemals regieren können und keinerlei Einfluss auf die Realität haben. Diese Annahme war offensichtlich falsch.
Vor 20 Jahren erhielt man auch von Rechtspopulisten die Aussagen, dass sie Halal-Essen nicht mögen und verschleierte Frauen nicht sehen möchten. Heute antworten dieselben Menschen: Wann fängt der Bürgerkrieg an? Die Invasoren kommen! Endkampf den Muslimen!
Es mag schon sein, dass die heutigen rechten Parteien diesen Weg nicht gehen wollen, aber sie sind der Wirt jener Ideologie, die die Nationalsozialisten genährt hat. Auf Dauer gesehen radikalisieren sie ihre Sympathisanten. Sozusagen die Einstiegsdroge für den echten Faschismus. Noch haben wir in den demokratischen Ländern viele „Checks and Balances“. Und die Generation Z zählt auch zu der am besten ausgebildeten Generation, die je gelebt hat. Niemand von dieser Generation kann sagen: Ich wusste nicht, dass etwas passierte. Das ist die positive Seite.
Doch mehr und mehr Menschen glauben an Verschwörungstheorien und sonstigen Plunder. Und es mehren sich die Radikalisierten, die u.a. den Holocaust wieder leugnen. In Amerika trugen Menschen beim Sturm auf das Capitol 2021 T-Shirts mit dem Aufdruck „Sechs Millionen waren nicht genug!“.
Politik III
Bevor es zur Kultur geht, wird sich der Melzer noch einmal ziemlich weit und übellaunig aus dem Fenster lehnen. Es liegt ihm noch immer die Wahl in der Türkei im Magen, genauer die 72 % Erdogan-Stimmen, die dieser von in Österreich lebenden Türken erhalten hat. Was den Melzer dabei so zwickt, war die Frage, wie damit umgehen, dass es in diesem Land Menschen gibt, die bedingungslos ihren autokratisch regierenden Führer so verehren, dass sie sich für die Stimmabgabe stundenlang vor der Botschaft anstellen. Es stellt sich auch die Frage, warum eine zweite oder dritte Generation über das Schicksal eines Landes mitbestimmen soll, in dem sie nicht leben (leben wollen, sonst wären sie ja nicht in Ö oder sonst wo...), und die Konsequenzen der Entscheidungen nicht sie, sondern die Menschen vor Ort tragen müssen.
Geständnis – „Alles wird gut!“
Oft erwähnt, zählte sich der Melzer selbst eher zu den Realisten, er malte also eher dunkelgrau als bunt. Er ärgerte sich über die Verrohung und Verdummung der Gesellschaft, ebenso über die Politik, er begann die Vergangenheit zu verklären und lag falsch, wie eine große Studie über die falsche Wahrnehmung aufzeigte:
Die Armut ist weltweit stark zurückgegangen, auch wenn uns die Gegenwart anderes vorgaukelt. Die Menschheit wird mit jedem Jahr klüger (global gesehen), auch wenn der Melzer die Augen verdrehte. Die allgemeine Lebenserwartung steigt massiv. Es gab noch nie eine Epoche, in der es so vielen Menschen so gut ging wie heute. Es täte also auch dem Melzer ein wenig mehr Optimismus gut!
Damit können wir uns ja wieder der Farbe zuwenden:
Neues aus der Wühlkiste!
Garish / "Hände hoch, ich kann Dich leiden."
25 Jahre Bestandsjubiläum, das muss gefeiert werden. Die Indieband Garish tat dies einerseits mit einigen schönen Konzerten und einer Jubiläumsplatte, auf der sie GastmusikerInnen altbekannte Songs aus vielen Jahren neu interpretieren ließen. Aktuell zu haben unter dem Titel „Hände hoch, ich kann Dich leiden.“ Den einzigen neuen Titel auf der Platte, in Zusammenarbeit mit den Strottern entstanden, hört der Melzer seit 2 Monaten in Dauerschleife. „Dei Wöd is a Scheibm.“
Thomas Raab / „Peter kommt später“
An den ungewöhnlichen Schreib- und Formulierungsstil von Hr. Raab musste sich auch der Melzer erst gewöhnen, ganz anfreunden wird er sich damit nicht können. Doch der schwarze Humor, mit dem der Autor seine Geschichten verfasst, es handelt sich mittlerweile um den dritten Band aus der Serie um die ermittelnde Fr. Huber, zieht einen letztlich doch in seinen Bann. Nach der Metzger-Serie, die vom ORF mit Robert Palfrader verfilmt wurde, weitere Krimis von Thomas Raab.
John Irving / „Der letzte Sessellift“
Man hörte den Melzer auf dem Balkon der kleinen Ferienwohnung kichern und kudern, so sehr amüsierten ihn die Schilderungen des jungen Adam Brewster, der Erzählfigur. John Irvings wohl letzter Roman mit dem Titel „Der letzte Sessellift“ erweist sich wieder als literarische Wundertüte und umfasst all seine Herzensthemen der letzten Werke. Brewster sucht seinen Vater im historischen Skiort Aspen, trifft Gespenster, sinniert über Film, Literatur, US-Geschichte und hält ein eindrucksvolles Plädoyer für Toleranz und Liebe. Auch wenn der Roman manchmal ausufert (über 1000 Seiten) – große Empfehlung!
Dota KEHR / „In der fernsten der Fernen“
Schon einmal an dieser Stelle hatte der Melzer von den Kalekó-Vertonungen der Berliner Songwriterin geschwärmt. Es ist wieder so weit, denn nach knapp 4 Jahre nach der ersten Veröffentlichung steht wieder eine CD mit vertonten Gedichten von Mascha Kalekó auf dem Programm. Und auch dieses Mal holte sich Dota Kehr wieder zahlreiche GastsängerInnen ins Studio. Einfach schön!
Noel Gallagher’s High Flying Birds / „Council Skies“
Vielleicht schon das „Alterswerk“? Mit der vorliegenden Platte hat Noel Gallagher, einer der Mitpioniere des sogenannten Britpop und ehemaliges Vorstandsmitglied von OASIS, auf alle Fälle ein eindeutiges Signal in diese Richtung gesetzt. Noch immer lebt in seinen Liedern die ewige Verehrung der Beatles, noch immer schmeicheln sich seine Melodien gnadenlos ins Ohr. Was er vor über 20 Jahren schon mit Titeln wie Wonderwall bewiesen hat. Ev. schon eine Platte des Jahres? Vielleicht verfrüht, denn in einigen Wochen erscheint da noch die neue CD von BLUR namens „The Ballad of Darren“. Schau ma mal…
Wühlkisten-PS: Die aktuelle Debatte über die „Lärmbelästigung“ während einiger weniger ARENA-Open-Airs zeigt Wien wieder einmal von seiner typischen Seite. Der Melzer hat nur eine Anmerkung dazu. Leute, ihr habt wohl gewusst, wo ihr hinzieht. Die ARENA hat in ihrer bestehenden Form zu bleiben, wie sie ist!!
Grüße vom Melzer!
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Robert Weber (Freitag, 14 Juli 2023 16:47)
Bravo!
Ronald Wurwal (Freitag, 14 Juli 2023 17:29)
Sowohl fotografisch als auch textmäßig wieder einmal ein Genuss!