Auch Avatare mögen Wildschwein in der Pasta!

Satire sei das Wort, Liebe das Bild!

Der Melzer, dieses allgemein bekannte, sonderbare Wesen, war zwar gerne weg, aber doch lieber zu Hause. In der Ferne gehörte er zu den wenigen Menschen, denen bewusst war, wie schön sie es doch zu Hause hatten. Unabhängig von all dem politischen Ungemach in diesem Land.

Also kam ihm eine Idee. Er schickte ganz einfach seinen Avatar auf die Reise, technische Kürzel wie AR oder KI machten es in Tagen wie diesen durchaus möglich.

Avatar? Schon lange bevor die heutigen jungen Hupfer mit ihren technischen Spielereien protzen konnten, hatte der Melzer sein digitales Ich von seinem Freund geschenkt bekommen. Zwischenzeitlich wurde er, der Avatar, gehegt und gepflegt, die Datenbank zunehmend gefüllt, es war also durchaus an der Zeit, ihn von der Leine zu lassen, also hinaus mit ihm in die weite Welt! Ob so ein Avatar auch ein Eigenleben an den Tag legen konnte, war dem Melzer im Vorfeld natürlich nicht bewusst.

Zuvor ein kurzer Rückblick und Gedanken über das Älterwerden:

Ein Blick zurück. Zwischen 1995 und 2001 besuchte eine kleine, wackere Gruppe mehrmals und auch für längere Zeit die südliche Toskana und das benachbarte Umbrien. Eine Zeit, in der man die Rechnungen noch mit Lire beglich. Ca. 15 Jahre später beschloss der Kern dieser Gruppe, die eigenen Erinnerungen und Orte einer alten Sehnsucht noch einmal hochleben zu lassen.

 

Die Vorfreude damals war groß gewesen und sie hatte sich erfüllt, obwohl die Jahre dazwischen wie eine halbe Ewigkeit vorkamen. Man fand die besuchten Ziele noch fast so vor wie abgespeichert, die typische Kulinarik der Region (herrliche Pastagerichte, viel Wild, Käse, legendäre Bistecce) verzauberte den Gaumen. Eine wunderbare Woche im Herbst bei tollem Wetter. Doch jetzt schreiben wir 2023, mittlerweile sind schon wieder 8 Jahre vergangen, und dieser Umstand machte den Melzer ein wenig wuggi.

 

Link zum damaligen Blogeintrag: Toskana2015

 

Also noch einmal hinunter in diese wunderbare Region, und auf dem Weg dorthin gleich noch ein paar Ziele am Wegesrand mitnehmen. Nur, dass die Kunstfigur entsendet wurde. Was die ganze Sache vielleicht ein bisserl verwirrend erscheinen lässt, so ein Avatar bewegt sich ja eigentlich in einer virtuellen Welt, der vom Melzer jedoch nicht, der wurde tatsächlich auf die Reise geschickt. Außerdem war der Melzer ein Blogger, die lügen übrigens zumeist hauptberuflich. Also bitte nicht irritieren lassen, bei wissenschaftlichen Fragen aller Art wie immer Pizzera & Jaus befragen, die haben ohnehin auf ALLES eine Antwort. Und jetzt geht es los:

Viele gute Menschen müssen jetzt stark sein, denn diese Reise ließ sich nur mit dem Auto bewältigen, viel Asche auf das Haupt vom Melzer, der seinen Avatar einfach so motorisiert in die Welt schickte, knapp 3.000 km wurden dabei abgespult. Eine ganze Menge! Und da dem Avatar auch Pausen gegönnt wurden, gab es Aufenthalte im Friaul & der Emilia-Romagna, bevor es über den Apennin in die Toskana ging. Dieser, der Apennin, hatte übrigens, was die Überquerung betraf, seinen Schrecken verloren, ein neuer Teilabschnitt der A1 quer durch den Gebirgszug ermöglichte dies. Der Verlauf dieser „italienischen Reise“ lautete:

 

Venzone – Gemona – Pordenone – Bologna – Chianciano Terme – Chiusi – Cortona – Bagno Vignoni – Siena – Pienza – Todi – Perugia – Città della Pieve – Bagni san Filippo – Sorano – Sovana – Pitigliano – Saturnia – Montalcino – Montepulciano – Tarcento

Venzone, Gemona & Pordenone

Zwei kleine, unauffällige Schönheiten des Kanaltals, die viele Menschen nur vom Vorbeifahren kannten. Ihre dunkelste Stunde erlebten beide Orte im Mai 1976, als die Erde im Friaul bebte und großes Leid und Schaden anrichtete. Gemona und Venzone wurde nahezu komplett zerstört und Jahre später vorbildhaft wieder aufgebaut. Man musste nicht extra erwähnen, dass sich eine sehr gute Gastronomie bereits im Kanaltal großer Beliebtheit erfreute. Leicht zu erkennen an den zahlreichen Autos mit österr. Kennzeichen.

 

Mit Pordenone verhielt es sich ein wenig ruhiger. Für die touristischen Karawanen zu weit abgelegen, herrschte in der eleganten und durchaus mit Udine vergleichbaren Stadt noch Beschaulichkeit und typisch ruhiges, italienisches Leben. Ein MUSS wäre bei einem Besuch die Pasticceria Peratoner, in den historischen Arkaden der Altstadt gelegen.

Bologna

Auch ob ihrer vielen Ziegelbauten LA ROSSA genannt, brummte an Wochenenden wie nur was. Nach der Ruhe und Gelassenheit der letzten Tage fast ein wenig ein Schock. Die Universitäts-, Gastronomie- und Hauptstadt der Region beherbergte ein internationales, urbanes und sehr junges Publikum. Und die Jugend wusste, wie wunderbar es sich hier leben ließ.

 

Nirgendwo lässt es sich besser unter kilometerlangen Arkaden schlendern, sitzen, schauen, einen Aperitif genießen als in Bologna! Und zum Thema Gastronomiepreise – siehe Zeilen am Ende dieses Eintrags.

 

Sehenswert ist selbstverständlich die gesamte Altstadt mit ihren Kirchen (im Dom lässt sich sogar eines der Foucaultschen Pendel beobachten...), Geschlechtertürmen, protzigen Palazzi und den unzähligen Alimentari-Geschäften, wo selbst dem Avatar ob der zahlreichen Köstlichkeiten an Käse, Schinken und sonstigen Leckereien das Wasser im künstlichen Mund zusammenlief. Und da er sich in die Musik Italiens verliebt hatte, wahrscheinlich genetisch bedingt, war es für ihn ein Muss, das Wohnhaus des verstorbenen Lucio Dalla im Zentrum Bolognas aufzusuchen. Der Melzer wäre stolz auf ihn gewesen!

Chiusi & Cortona

In der südlichen Toskana angekommen, also knapp 1.000 km von Wien entfernt, erhielt der Avatar zuallererst die Aufgabe, die Orte Chiusi und Cortona aufzusuchen. Für eine kleine Gruppe von Menschen rund um den Melzer stellte Chiusi, eines der etruskischen Zentren dieser Gegend, einen magischen, nicht ganz erklärbaren Mittelpunkt dar, ein sehr persönliches Thema, musste also unbedingt besucht werden. Die Gruppe hatte dort wunderbar gegessen, die legendäre Hitliste der Deppencafès ins Leben gerufen, in den Tuff geschlagene Weinkeller besucht und den Etruskern schon mehrmals die Aufwartung gemacht.

 

Und Cortona, hoch über dem Val di Chiana gelegen, erschien stets wie die Opernkulisse einer Verdi-Oper. Selbst am späteren Nachmittag, noch ganz ohne dramatische Ortsbeleuchtung.

Bagno Vignoni & Siena

Obwohl zunehmend touristischer, versprühte das mittelalterliche Thermalbad der Päpste noch immer einen ganz eigenen Zauber. Ebenso ein steter Pflichtbesuch. Speziell während des Sommers, wenn man bereit war, den Ort um knapp 7 Uhr früh zu besuchen. Dann umgab sich das große, alte Thermalbecken mit einer Aura aus Sonnenlicht und Dunstschwaden. Und über Siena viele Worte verlieren zu müssen, sei wohl überflüssig, außer, dass natürlich ein Besuch im Nannini so richtig zu einem Siena-Besuch dazugehörte.

 

Das „Dazwischen“ war dafür recht interessant, gemeint war damit der allgemeine Zustand der Straßen. Schon vor 8 Jahren war dem Melzer die schlechte Beschaffenheit des Straßennetzes ein Dorn im Auge, also verbessert hatte sich lt. Avatar nix. Teilweise brach auf kurvigeren Strecken in den Biegungen derart der Asphalt weg, dass es bereits durchaus gefährlich werden konnte. Welch‘ ein Kontrast zu den ach so schönen, italienischen Autobahnen.

Todi, Perugia & Città della Pieve

Nach Todi (bereits tief in Umbrien liegend) wurde der Avatar auch aus sehr sentimentalen Gründen geschickt. Dort hatte man vor über 20 Jahren drei wunderbare Wochen in einer verwahrlosten Architektenvilla (Jean-Marc Lamuniere) verbracht, an einem „römischen Fest“ teilgenommen, Radio Subasio entdeckt, die Säfte des Lungarotti genossen und mit Eulen, Skorpionen und sonstigem Getier „Big Brother“ gespielt.

 

Perugia, die elegante Studentenstadt und zugleich Hauptstadt der Region Umbrien, lohnte immer. Stets wieder aufregend, wenn man vom großen Parkhaus kommend mit der Rolltreppe, vorbei an antiken Kellergewölben, hinauf in die Altstadt fährt.

 

Und dann war da noch Città della Pieve. Klein, fein, ein kleines "la Rossa", weil der historische Stadtkern ausschließlich aus alten Ziegelhäusern besteht. Sehr gepflegt, angenehme Atmosphäre, lebendige Geschäftskultur, was hingegen in Todi scheinbar ein wenig verloren gegangen war. Dort hatten zahlreiche Geschäfte auf Dauer geschlossen.

Bagni san Filippo, Sorano, Sovana, Pitigliano, Saturnia

Munter ging es weiter, der Avatar wurde vom Melzer in die Kerngegend der alten Etrusker entsendet, vorbei an uralten, schwefeligen Naturquellen und in alte Städte, die auf ihren Tuff-Felsen thronten und wie nicht wahr wirkten. Eine Tagesfahrt in die etruskische Vergangenheit.

 

Wunderbar konnten Nekropolen erkundet werden, älter als 2000 Jahre, man streifte durch in den Tuff geschlagene Transportwege gleichen Alters, lugte in alte Weinkeller und Lagerräume, atmete sehr alte Geschichte. Nicht unerwähnt sollte der Besuch des „Piccolo-Jerusalem“ in Pitigliano bleiben, eine der letzten, kleinen jüdischen Gemeinden in der Toskana.

 

Ach ja, was natürlich für die gesamte Gegend zwischen dem Apennin und der Grenze zum Latium Gültigkeit hatte, war man kulinarisch ein Freund von Wild, den Früchten des Waldes und Teigwaren aller Art, also der weltberühmten Pasta in all ihren optischen Ausformungen, dann war man hier richtig!! Stellvertretend sei hier nur das weit über alle Grenzen bekannte Ristorante " I Due Cippi" in Saturnia erwähnt. Lange vorher reservieren und ein dickes Brieftascherl mitnehmen.

Montalcino & Montepulciano

Ein sonniger Tag, frisches Grün auf den sonst so grauen Feldern der „Crete Senesi“, es zog den Avatar in die mehr oder weniger berühmten Weinorte. Noch eine Woche bis Ostern, schön langsam bemerkte man, dass scheinbar ganz Italien auf den Beinen war und sich auf ein „Buon Pasqua“ vorbereitete, nach den berüchtigten Augustferien die wohl reisefreudigste Zeit der Italiener. In Montepulciano gehörte natürlich ein gemütlicher Mittagstisch im historischen "Caffè Poliziano" dazu. Köstlich!! Übrigens bezeichneten sich die Einwohner Montepulcianos noch heute "Poliziani".

 

Retour ging es einen Tag später bis ins Friaul, um noch eine Nacht anzuhängen, der Avatar war – ebenso wie der Melzer – kein großer Freund allzu langer Autofahrten.

 

Und nach 10 wunderbaren Tagen in Italien stellte sich für den Melzer, der vom Avatar ja stets informiert wurde, die naive Frage über die großen Geheimnisse der gastronomischen Kalkulation. Was die Preise der heimischen Gastronomie betrifft, zählt Wien mittlerweile zu den teuersten Städte Europas. Italien ist ärmer als Österreich was das "pro Kopf-Einkommen" betrifft, dies ist eine Tatsache, auch dort erhöhten sich die Preise für Energie und Lebensmittel. Und siehe da, selbst im Zentrum Bolognas kostete der Espresso € 1,20, der Cappuccino max. € 2,40. Ein Filetto vom Branzino inkl. Beilagen um € 16,50 hatte der Melzer in Wien zuletzt wohl vor 10 Jahren gesehen, tolle Pasta in Perugia, die alle Stücke spielte um € 10,00, kein Problem, wirklich gute Pizzen im Kanaltal um € 8,00 ebenso. Ja selbst in den touristischen Hochburgen wie Montalcino kam man mit knapp € 20,00 für einen Hauptgang durch. Nicht in Wien, da wurde am Stadtrand (nicht im Zentrum) ein Zwiebelrostbraten um wohlfeile € 34,00 gesichtet. Sachdienliche Hinweise jederzeit gerne an den Melzer.

Und wenn der Keppelzahn schon einmal ausgefahren ist, noch ein paar Zeilen zum ewigen Thema Klassenkampf, sonst wäre es ja nicht der Melzer. Im März brachte das Monatsmagazin „Pragmaticus“ auf 6 Seiten einen Bericht darüber, warum die Schweiz ach so großartig ist und wir so nachhinken. Gründe über Gründe wurden aufgezählt. Beim Studieren des Artikels konnte man fast schon depressiv werden. Und dann? Wenige Wochen später erschütterte der Skandal rund um eine Schweizer Bank den weltweiten Aktien- und Geldmarkt, ja kurz tauchte sogar das Gespenst des 8er-Jahres wieder auf. All die wunderbaren Kurswerte des Zeitraums Dezember bis März schwammen in der Donau, die ersten Analysten sprangen von den Dächern. Über die Boni-Wünsche der Verursacher sei der Mantel des Schweigens gehüllt, sonst tät es jetzt recht grauslich werden.

 

Die Moral der Geschichte? Egal in welch‘ toll funktionierendem Land, wo immer auch auf dem Planeten. Es regiert die Gier ohne Rücksicht auf Verluste. Aber nicht nur bei „Konzernen“ und skrupellosen Investoren, wir alle haben Menschen um uns, denen die „Geiz ist geil“-Mentalität so unter den Fingernägeln sitzt, dass nicht einmal mehr abkauen hilft. Viele wollen von ALLEM nur das Beste, aber möglichst um NIX! Solidarität? Geh bitte! So wird es wohl auf Dauer nicht gehen. Es brennt der Hut!

 

Der Avatar verweigert übrigens seit einigen Tagen die Benützung eines Autos. Der hat jetzt einmal genug von langen Autofahrten, obwohl er schon mehrmals beteuerte, wie sehr ihm die Gegend da unten gefallen hat. Auch nur Komiker, diese Kunstfiguren...

 

Letzte Station auf der Heimreise war übrigens Tarcento, ganz in der Nähe von Gemona gelegen. Hübsche Stadt mit einer sensationellen Pasticceria, die zwar "Sofia's Bakery / Torteria & Caffetteria" hieß, für die Torta al Limone hätte der Avatar aber sofort getötet. Der die LeserInnen natürlich recht herzlich grüßen lässt.

Dieses Mal gibt es keine "Wühlkiste" mit Neuvorstellungen aus Musik & Literatur. Auf Anraten des Avatars, der während der langen Autofahrten ausreichend Zeit hatte, sich in die aktuelle Musik Italiens zu vertiefen, wird sich der Melzer wieder einmal weit aus dem Fenster lehnen, um eine der besten Playlists mit ebendieser Musik zu bewerben, nämlich seine eigene. Sie wird, in stiller Zusammenarbeit mit Radio Subasio, ständig aktualisiert. Diese Playlist ist, vorausgesetzt man mag italienische Musik, ist über 30 und hat Geschmack, wohl eine der besten, die man derzeit bekommen kann:

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Kommentare: 2
  • #1

    Pilat Erika (Samstag, 08 April 2023 19:35)

    Alles WUNDERBAR. Sehr gut beobachtet,geschrieben und eine sehr schöne romantische
    Landschaft .Liebe Grüße �

  • #2

    Eva (Sonntag, 09 April 2023 15:06)

    Man möchte am liebsten die Koffer packen und los fahren.! � Wie immer ein toller Reisebericht�
    LG