„Wer das hier liest, braucht sich vor nichts mehr fürchten!“ (Janosch)
Melzer – der Wiederholungstäter! Waren tatsächlich schon wieder drei Jahre vorüber gegangen, seit er sich zum letzten Mal die maroden Knochen ein wenig aufpolieren ließ? Tatsächlich schon wieder drei Jahre nach dem letzten Eintrag zu diesem Thema? Na auch egal, es war ein untrügliches Zeichen des Alters, dass sich die Wahrnehmung zeitlicher Spannen sonderbarerweise permanent verkürzte.
Und somit ist klar, der Melzer buhlte wieder einmal um Eure Leseaufmerksamkeit. Wenn Euch bereits der obige erste Absatz zu lange erschien, dann lag dies nicht nur am komischen Schreibstil vom Melzer, sondern auch an all den elektronischen Dingen des heutigen, täglichen Gebrauchs. Reizüberflutungen in der digitalen Welt führen zu immer kürzeren Aufmerksamkeitsspannen. Durchschnittlich könnt Ihr Euch noch 47 Sekunden (!) konzentrieren. Damit lässt sich wieder erkennen, wie wichtig die Lektüre der nachfolgenden Zeilen sein kann. Nahezu therapeutisch!!
Es musste schließlich jemand wie ihn geben, der am Ende den ganzen Müll zusammenschrieb. Aus einer schwierigen Situation das Beste zu machen, also das Schlechteste herauszuholen. Die Hoffnung hatte den Melzer verlassen, die Götter hatten sich längst abgewandt. Und doch legte er neue, literarische Mosaike, um sich für Euch gerne zu opfern.
Sozusagen der „Peter Turrini des renaturierten Wienflussbeckens in Hütteldorf“.
Es gab für den Melzer Orte, wo selbst düstere Tage eher nach Dur statt nach Moll klangen. Die Ankunft an der Gasteiner Ache klang dann gleich einmal nach Mozarts „Musikalischem Spaß, K. 522, Presto“. Dabei wird der Melzer aber sicher nicht in Euphorie verfallen, denn diese ist tatsächlich ein medizinscher Begriff und beschreibt ein „letztes Aufflackern“ vor dem Tod. Also freute er sich lieber sachte.
Da war er wieder, der Gezeichnete, und er freute sich sehr darüber, nach dem Tunnel in das Tal einzutauchen, um die bekannten Gipfel der Tauern links und rechts begrüßen zu können. Das Gasteinertal! Nach Norditalien sowas wie die dritte Heimat, zählte man seine bisherigen Aufenthalte zusammen, dann kam man schon auf etwas mehr als zwei Jahre, die er hier mittlerweile verbracht hatte. Noch war ihm von offizieller Stelle keine Ehrenbürgerschaft angeboten worden, vielleicht auch deshalb, weil seine Aufenthalte weniger mit dem Erlernen des Pongauer Brauchtums zu tun hatten, da ging es mehr darum, die maroden Knochen von Zeit zu Zeit ein wenig auf Vordermann zu bringen.
Sich anderen zu erklären, diesen Versuch hatte der Melzer bereits vor Jahren beendet. Das gelang ja nicht einmal der eigenen Psyche. Schon immer wollte der Melzer nicht verstanden werden, denn er verstand ja nicht einmal sich selbst. Oder, wie sollte es auf die Menschen rund um einen wirken, wenn man an einem Tag herumhüpfte wie ein störrischer Esel, und am nächsten Tag lahmte dann dieser Esel wie nur was. Also, vergebliche Liebesmüh!
Und bevor gleich zu Beginn dieses Eintrags eine Diskussion über politisch korrekte Bezeichnungen anfängt, der Ausdruck „die Gezeichneten“ stammt von einem leider längst verstorbenen, sehr guten Freund, selbst dieser Spezies zugehörend. Sprichwörtlich konnte man’s nehmen, denn wer sich im Tal zur Behandlung begab, den hatte das Leben – in vielen Fällen – zumeist schon ein wenig „gezeichnet“. Es war auch durchaus zulässig, dass man auch Teilen dieses Menschenschlags mit Vernunft misstrauen konnte! Vor längerer Zeit hatte sich der Melzer schon einmal damit sehr unbeliebt gemacht, die Statisten dieses Schauspiels zu katalogisieren. Ach, was soll’s, hier noch einmal die Wiederholung der damaligen Zeilen:
D e r V e r w e i g e r e r
Stets anzutreffen, unabhängig vom Geschlecht. Verweigert bereits beim Ankunftsgespräch ALLES, motzt bis in die tiefe Nacht hinein und ist Spezialist in Sachen "Haar in der Suppe". Kann zwar
wunderbar über die eigenen Wehwehchen lamentieren, sieht jedoch in allen anderen Patienten den typischen Tachinierer. Jede Anwendung kommt zum falschen Zeitpunkt, das Personal ist immer eine
Ka·ta·s·t·ro̱·phe, übers Essen müssen wir gar nicht diskutieren und die Zimmer sind ein Witz. Sucht natürlich permanent und krampfhaft nach Verbündeten, denen das Gesudere
aber nach ein paar Tagen selbst auf die Nerven geht. Der Melzer durfte vor zwei Jahren die sympathische Form des Verweigerers kennenlernen, der zwar überhaupt nicht motzte, aber während seines
Aufenthalts ganz eigene Regeln aufstellte:
Intern "der schöne Ludwig" (Name von der Red. geändert ;-)) genannt, war ein tapsiger 100-Kilo-Mann, entstammte irgendeinem verarmten, steirischen Adelsgeschlecht und wusste die ersten beiden Tage in der Anstalt überhaupt nicht, wie ihm geschah. Dann entdeckte er im Zentrum das "Haus Austria", ein liebes, altes Restaurant mit guter Küche, die noch dazu seinen Lieblingsriesling vorrätig hatten. Ab diesem Moment verweigerte der Ludwig das Anstaltsessen und firmierte, so oft es möglich war, im Restaurant, egal, zu welcher Tageszeit. Ein charmanter Alkoholiker, dem jeder guter Ratschlag am A... vorbeiging. Bestien wie unten beschrieben übersah er völlig. Den einen oder anderen Abend mit dem Ludwig im Haus Austria hatte der Melzer sehr genossen, die Lachsforelle oder ein Saibling gehörten zu den Fixpunkten von ihm während der Wochen im Tal.
D i e D o r f g a t s c h n / B a s s e n a w e i b e r
Wie die Überschrift schon verrät, zumeist weiblich! Diese Spezies findet in kürzester Zeit, ev.
gleich am Ankunftstag, bundesländerübergreifend zueinander. Therapiepläne werden wissenschaftlich zerlegt und in stundenlangen Gesprächen analysiert. Sie suchen sich mit Zielsicherheit die Plätze
am Ende des Speisesaals, um das Geschehen völlig unter Kontrolle zu haben. Von diesen strategischen Plätzen aus lassen sie an ihren MitpatientInnen wahrlich kein gutes Haar, sie verbreiten einen
bösartigen Mix aus Halbwahrheiten, Lügen und Gerüchten, biedern sich mit wechselhaftem Erfolg ekelhaft am Personal an, um weitere Verbündete zu gewinnen. Die Obrigkeit fürchten sie wie der Teufel
das Weihwasser, geschimpft wird jedoch auch über den Teufel! Was dem Melzer auffiel, die glichen sich spätestens nach zwei Wochen auch optisch an! Kurz vor der Heimreise konnte man die gar nicht
mehr voneinander unterscheiden...
D i e S e l b s t d a r s t e l l e r
Sie reisen mit der kompletten Kombi an, also Fahrrad, Tennisracket, Schi, Paragleitschirm und den erforderlichen
Apps zur Leistungsaufzeichnung. Sind dann verwundert, dass nach ihrer Bandscheibenoperation etc. der Arzt die Verwendung dieser Utensilien untersagt, wenden sich aber sofort neuen Aufgaben zu.
Verwechseln die Anstalt mit einem sportmedizinischen Institut, erkennen den Sinn einer Rehab nicht. Kleinhirn an Großhirn spielt's ned! Nach wenigen Tagen nisten sie sich wie Parasiten im großen
Therapieraum ein, belagern Standfahrräder und Kraftgeräte, verschwitzen die Atmosphäre und tauschen sich laufend über die gesteckten Ziele aus. Am Wochenende sind sie zumeist auf den Gipfeln der
umliegenden Berge zu finden, am Abend werden konspirativ neue Routen für einen Powerwalk eruiert. Diese Gruppe war nicht nur an den stets verschwitzten Funktions-T-Shirts zu erkennen,
sondern auch an optischen Besonderheiten, wie unten in der nächsten Gruppe beschrieben.
Eine Seitenlinie der Selbstdarsteller waren die medizinischen Alleswisser. Sie
ordinierten in jeder Wartezone, im Speisesaal und bei abendlichen Spaziergängen. Vor ihnen musste man sich besonders hüten, denn sie waren lästig und anhänglich wie die Kletten. Die einzige
Spezies, die man im Speisesaal am Gang erkannte, Fersengeher, bei denen der Boden vibrierte. Gerne leidend, reisen zumeist mit einer Gastritis an, fühlen sich überwiegend überfordert und wechseln
ständig die Therapeuten, weil man die Wahrheit nicht verträgt.
T a p e s & T a t t o o s
Durchaus in allen Gruppen anzutreffen, überproportional - leider verhielt es sich tatsächlich so - jedoch eher bei den einfachen Seelen. Die Ehrgeizler in der Anstalt hatten endlich den Trend der Tapes erkannt. Es gab keinen Körperteil, der nicht mit bunten Pflastern zugeklebt war. Teilweise ging es soweit, dass Handtapes täglich farblich verändert getragen wurden, ja sogar manchmal an die Kleidung angepasst waren. Therapeutisch natürlich überaus zweckmäßig! Was der Melzer scheinbar auch völlig verschlafen hatte, war die große Anzahl an Menschen, die mittlerweile mit irgendeinem Tattoo auf ihrem Körper herumliefen. Die Vielfalt an unterschiedlichen Motiven schien grenzenlos, die Kreativität bezüglich der Anbringung ebenso. Ornamente, Tiere, Namen, Pflanzen oder auch nur einige chinesische Schriftzeichen auf welkenden Körpern, es fand sich alles!
Übrigens: Am zweiten Tag im Tal sprach völlig unvermittelt ein Mann den Melzer an: „Derf i sie wos frogn, san sie der Filzmaier, der in der ZIB immer auf die Politiker so losgeht?“
Und der Melzer dachte sich: "Das ist mein Schicksal, eine optische Mischung aus Schmid, Günther Paal und Prof. Filzmaier. Ich schaue zu vielen ähnlich!" Er verneinte! Die Enttäuschung war dem Mann anzusehen, den Gunkl kannte er überhaupt nicht, ebenso wenig den Schmid.
Apropos Ansprechen: Schön, dass im Tal noch so freundlich gegrüßt wurde, auch wenn man sich nicht kannte, und es gab fast nichts charmanteres, als wenn einem die entgegenkommenden Kinder ein freundliches „Grias di“ zuwarfen. Was dem Melzer aber sowas von auf den Sack ging, waren all diese Freizeitwanderer in ihrer peinlichen Bergmontur mit der überholten Regel, dass man sich ab einer gewissen Seehöhe automatisch duzt. Er möchte mit all diesen Menschen nicht per du sein, die sollen gefälligst ihren Schlapfen halten. JA, da war er wieder, der alte Grantscherm, kein Wunder, dass Ö bei intern. Umfragen betreffend Freundlichkeit so schlecht abschnitt.
Sommerfrische - dieser Begriff, manchmal durch die Lifestylejournaille nur allzu gerne verzerrt, geht auf die Zeit zurück, als sich unsere Vorfahren das 3mal jährliche Entspannungswochenende an den Küsten Europas oder sonst wo noch nicht leisten konnten. Man flüchtete aus dem Mief der großen, heißen, schmutzigen Stadt hinaus in die monetär leistbare Natur. Dies konnte ein Thermalbad wie in Baden oder Bad Vöslau sein, ein Fluss- oder Strombad wie in Kritzendorf oder Gars am Kamp, oder ein Berg wie Semmering oder Wechsel. Nur der Adel oder das Großbürgertum weilten schon damals an der nördlichen Adria, siehe Opatija oder Triest.
Mit zunehmendem Wohlstand kamen das Salzkammergut, die Tauern, die Kärntner Seen und auch für die kleineren Leute das Meer hinzu. Aus der Sommerfrische wurde Urlaub, die Entfernungen wurden weiter. Wer aus dem Urlaub retour kam, präsentierte seine Bräune, so auch der Melzer, der viele Sommer am Klopeiner See verbringen durfte. Zumindest 7 operative Eingriffe seines Hautarztes zeugen 40 Jahre später davon.
Doch ein Zuviel des Guten, bezogen auf die Reisefreudigkeit der Menschheit und manch‘ andere Erkenntnis, leitete in den letzten Jahren zumindest teilweise ein Umdenken bei manchen Leuten ein. Gebiete wie der Semmering erleben eine Wiederauferstehung, der Wanderurlaub wird der Grillerei am Sandstrand vorgezogen, manchmal jedoch mit dem falschen Schuhwerk, Urlaub am Bauernhof entspannt Kindern und Eltern mitunter mehr, als die stundenlange Warterei auf überfüllten Flughäfen, trotz Mistgrube und Insektenstiche jeglicher Art. Damit gleich zum…
Naturwunder Alpen - sie sind weder das höchste noch das älteste Gebirge der Welt, aber uns sehr nah und trügerisch vertraut. Noch heute wachsen die Alpen, aber gleichzeitig setzt der Klimawandel den Gletschern und der Alpenfauna und -flora stark zu. Glück und Leid liegen in den Alpen nahe beieinander. Viele Gipfel forderten bereits viele Tote.
Die Alpen sind vieles: Lebensraum, Erholungsgebiet, Sportplatz, Muse für solch Deppen wie den Melzer und zugleich Rückzugsort. Doch sie sind vor allem eines – ein Paradies, das in eine mehr als ungewisse Zukunft blickt. Das Gebirge, scheinbar für die Ewigkeit geschaffen, es droht zu zerbröckeln…
Ein wenig beneidete der Melzer die dort lebenden Menschen um die klimatischen Verhältnisse. Natürlich waren die Auswirkungen unserer zerstörerischen Tätigkeit auch im Gasteinertal zu bemerken, am Horizont wurden die Gletscher jedes Jahr ein wenig kleiner. An manchen Sommertagen wünschte man sich rasch ins kühle Nass, die Anzahl an überdurchschnittlich heißen Tagen nahm auch auf knapp 850 m über dem Meeresspiegel ständig zu, abgefedert durch wunderbar kühle Nächte. Aufgrund der wesentlich höheren Niederschlagsneigung im Sommer sah man sattes Grün und blühende Almwiesen, so weit das Auge reichte, und nahezu jeden Winter Schnee, der liegenbleiben durfte und in den Zentren der Dörfer sogar zur jahreszeitlichen Ortsverschönerung diente. Kurzum, die Jahreszeiten teilten sich ihre Arbeitszeit noch ziemlich so ein, wie wir es aus vergangenen Jahren gewohnt waren, allen Unkenrufen zum Trotz – zumindest bis hier an dieser Stelle…
Doch am Beispiel des Kötschachtales, knapp unterhalb von Badgastein gelegen, zeigte sich, wie rasch die Natur aus den Fugen geraten konnte:
So löschte 1951 eine Lawine im kleinen Tal eine Siedlung und ihre Menschen aus, 1984, der Melzer war damals zum ersten Mal dort, endete eine große Lawine gleich neben der Himmelwand knapp vor der Straße, zum Glück keine Opfer. 1999 zerstörte ein plötzlicher Föhnsturm einen kompletten Waldabschnitt, die Folgen sind heute noch sichtbar, und 2016 löste sich nach starken Regenfällen eine ganze Felswand oberhalb des Alpenhauses Prossau. Auch hier gab es zum Glück keine Opfer, auch wenn noch heute den Betreibern der Schreck beim Erzählen in den Gliedern steckt. Die Schäden sind noch immer sichtbar, ein Lawinen- und Geröllschutz wurde errichtet.
"Grüner Baum" – da braucht es mehr als einen Prinzen
Und wenn wir schon im Kötschachtal sind, dann noch rasch ein paar Zeilen zu einem der ehemals bedeutendsten Tourismusbetriebe Salzburgs. Dem Hoteldorf „Grüner Baum“!
Wie im Dornröschenschlaf liegen die Gebäude am Taleingang. In den 80er-Jahren zählte der Betrieb zum Nonplusultra der modernen Hotellerie. Alles, was einem heutige Marketingprospekte versprechen, hatte der Grüne Baum damals schon. Fantastische Lage, einmaliges Service, Spitzengastronomie, Annehmlichkeiten aller Art, sowohl In- als auch Outdoor. Quasi die Benchmark aller Wellnessbetriebe. Sogar den gealterten Luis Trenker holte man sich ins Haus, der für nichts anderes bezahlt wurde, als die flanierenden Gäste zu grüßen und ein wenig zu unterhalten, sofern man ihn verstand. Liza Minelli, Niki Lauda, der Schah von Persien, Richard von Weizäcker u.v.m. zählten zu den erlauchten Gästen.
Der exzentrische Chef und Ortskaiser mit Namen Blumschein fuhr mit einem historischen Oldtimer durch den Ort, um Gäste vom Bahnhof abzuholen, aber auch, um am Abend dem Casino einen Besuch abzustatten. Eventuell den einen oder anderen zu viel davon..
2015 schlitterte das Luxusresort in den Konkurs, eine Weiterführung durch einen deutschen Manager scheiterte 2 Jahre darauf. Ein kleiner Hoffnungsschimmer am Horizont sind die aktuellen Revitalisierungen im Ortskern, vielleicht ergibt sich dadurch eine neue Initiative eines seriösen Investors, unseriöse wurden in den letzten Jahren mehr als genug in den Ort gespült.
Anmerkung: Im Gartenbereich des "Grünen Baum" gestaltete man rund um den Außenpool schon zu Zeiten sogenannte "Kraftplätze", da waren viele der heute esoterisch Angehauchten noch gar nicht geboren! Und es hieß noch nicht Yoga sondern "aktives Erwachen".
Schick, schnell & sehr schmutzig!
„Eines sollte uns eigentlich klar sein: Durch tägliches Yoga, zuckerfreies Essen und Schönheits-OPs werden wir Lebenskrisen nicht verhindern können, ganz egal was uns Ratgeber, Life-Coaches und Influencer weismachen wollen!“
Der Melzer war sich nicht sicher, war es die Höhenluft, war es das Radon, waren es die Dämpfe des Thermalwassers? Wunderbar konnte er sich wieder einmal über ein Thema ärgern, an dem er sich so richtig festgefressen hatte – die künstlich zerschlissene Jeans. Kam ihm eines dieser Menschlein, egal welchen Geschlechts, mit solch‘ einer prachtvollen Hose entgegen, was auch im Gasteinertal passierte, musste er sich sofort abwenden, um nicht total durchzudrehen. Natürlich kostete Euch, liebe Leser:innen, das Verhalten eines alten Deppen nur ein müdes Lächeln, dem Melzer war es jedoch sehr ernst. Also, noch einmal:
Sollte jemand nach dem Kauf einer neuen Jeans tatsächlich den Wunsch verspüren, diese absichtlich zu zerstören, um damit ein modisches „Statement“ zu setzen, dann soll es so sein, auch wenn es der Melzer ganz einfach nicht verstehen will.
Sollte hingegen diese Person im vollen Bewusstsein eine Jeans kaufen, die vom Handel für den Verkauf bereits während der Produktion zerschlissen wurde, dann sollte man den/die bewussten Käufer ZWANGSWEISE für mehrere Wochen in eine der chinesischen, pakistanischen oder türkischen Fabriken schicken, um vor Ort ohne Schutzausrüstung (eben auch wie die Arbeitskräfte dort) zu erleben, unter welch‘ widrigen Bedingungen diese Hosen hergestellt werden. Sandstrahllanzen, bei denen sich der feine Staub wunderbar in den Lungen der Arbeitskräfte einnistet, Chemiebäder, die Haut und Augen schädigen, riesige mittelalterliche Wäschetrommeln, in denen unter Zuhilfenahme von Steinen die neue Jeans künstlich altern darf. Wenn man beim Kauf schon nicht an die geschundenen Arbeitskräfte denken möchte, dann vielleicht zumindest daran, dass es sich dabei um einen Ressourcenmissbrauch ohne Ende handelt!!
Einige Zahlen dazu (Quelle Greenpeace, Oxfam):
Für die Produktion einer (!) solchen Jeans werden ca. 8.000 l Wasser benötigt, ungefähr 2 kg hochgiftiger Chemikalien eingesetzt und bei einer Handelsspanne von ca. 50 % erhält der nach kurzer Zeit ohnehin kranke Fabrikarbeiter 0,6 % Lohn.
Fühlt Euch beim Tragen solch‘ einer Hose modisch gekleidet, kommt aber bitte dem Melzer dabei möglichst nicht in die Quere. Der empfindet das Tragen solch‘ einer Hose, oder was davon übrig ist, wahrlich als Schande!
Damit zu Musik & Literatur:
„Die Wühlkiste“ – ein Halbjahresbilanz
Musikalisch war beim Melzer das Gasteinertal seit 3 Jahren fest in der Hand der „Kings Of Convenience“ und ihrer oftmaligen gesanglichen Partnerin Leslie Feist, die gemeinsam einen festen Platz im Herzen vom Melzer hatten. Die Drei sorgten für einen entspannten Soundtrack, der sich quasi beim Einbiegen ins Tal selbständig einschaltete und ab diesem Moment in der Dauerschleife lief. (Die Spotify-Playlist findet sich unten am Ende dieses Eintrags.)
Das halbe 2022 lag hinter uns, es gab schon bisher viel Musik zu hören. Noch mehr wird kommen, denn viele musikalische, aber auch literarische Neuankündigungen werden ja bewusst im Herbst lanciert, der schnöde Mammon musste rollen, es lockte die vorweihnachtliche Brieftasche des Konsumenten. Ob sie dieses Jahr ob der Teuerungen auch locker sitzen wird, dies werden uns die kommenden Monate zeigen.
Dennoch möchte der Melzer das Gewesene ein wenig Revue passieren lassen, nachstehend seine bisherigen Vorschläge für die Musik des Jahres 2022:
Father John Misty / „Chloe and the Next 20th Century“
Himmlische Melodien für alle Hörer*innen, denen Sir Elton John längst zu peinlich geworden ist.
Alison Krauss & Robert Plant / „Raise the Roof“
Nach über 10 Jahren das zweite Meisterwerk dieses Paares, auch die Begleitband würde sich jeden musikalischen Oscar verdienen!
Peter Doherty & Frédéric Lo / „The Fantasy Life of Poetry and Crime“
Frédéric Lo bändigt den unberechenbaren Trunkenbold Doherty und zimmert mit ihm gemeinsam ein wunderbares, poetisches Album.
Van Morrison / „What’s it gonna take“
Er schwurbelt leider noch immer, der alte, mürrische Mann aus Belfast. Aber von „Business as usual“ ist das mittlerweile 43. Studioalbum weit entfernt. Da war der Melzer leider nicht imstande objektiv zu sein, zu sehr begleitete ihn die Musik von VM seit über 30 Jahren. Und Morrison schafft es noch immer, wunderbare Melodien aus dem Hut zu zaubern. Mit ein wenig Bauchweh achtet der Melzer dieses Mal halt mehr auf die Musik als auf die Texte.
Denn über weite Strecken sind diese besessen von lügenden Politikern und einer hirngewaschenen Nation, alles gute Punkte, um darüber zu diskutieren, aber auf dem Album ist das meiste davon viel zu aufdringlich. Schade, denn die Arrangements sind wie zumeist von außerordentlicher Qualität.
Kristoff / „Aus da Haut“
Liedermacher & Gründungsmitglied der Band GARISH, Christoph JARMER, veröffentlichte bereits sein Erstlingswerk „Aus da Haut“. Gestreift hatte der Melzer das Album gleich nach der Veröffentlichung, doch jetzt war es ihm so richtig eingefahren.
Als Dialektliedermacher Kristoff besinnt sich Jarmer auf seine Wurzeln und Stärken. Er singt in einer Sprache, die er spricht, er macht Musik, die ihn selbst berührt. Sein Sound ist erdig, ehrlich und bodenständig, kein Ton biedert sich dem Zeitgeist an. Tiefgründige Texte, sehr schön musikalisch untermalt.
Übrigens: Spätestens im nahenden Herbst wird der Melzer im Webradio von Karl Pichlers „Baumgarten“ wieder jeden Sonntag unter dem Titel „Gemischter Satz“ u.a. Musik von Kristoff präsentieren.
Alex Miksch / „Krems“
Der Dialekt-Blues-Poet Alex Miksch ist ein Unikat, das für seine emotionale Wucht gerühmt wird. Mit rauer Stimme und famosem Gitarrenspiel vermag er es wie kein anderer österreichischer Liedermacher, Erlebtes und Beobachtetes in Texte zu verwandeln und in Musik einzubetten. Sein musikalisches Schaffen ist durch die Verarbeitung seines bewegten Lebens geprägt.
„Dass er, immer wieder bedroht von Obdachlosigkeit und den gemütsverdunkelnden Qualitäten des Dämons Alkohol, seine Liedkunst weiterentwickeln konnte, grenzt an ein Wunder.“ (Samir Köck, Die Presse)
John Irving / „The Last Chairlift“
Irving wurde dieses Jahr 80 und lässt seine treue Fangemeinde, wie auch den Melzer, seit dem Jahr 2015 warten. Sein neuer Roman „The Last Chairlift“ wird im Oktober erwartet, die deutsche Übersetzung Anfang 2023. Ein Lichtblick und zugleich ein Dilemma. Denn man muss kein Prophet sein, dass es sich bei diesem Werk um seine wohl letzte Veröffentlichung handeln wird.
Castle Freeman / Die „Lucian Wing“-Serie
Noch ein Amerikaner. Castle Freeman hat mit seinem Provinz-Sheriff namens Lucian Wing eine sehr sympathische Figur zum Leben erweckt und damit eine Krimi-Trilogie der etwas anderen Art ins Leben gerufen. Gemächlich, behäbig und stets sehr überlegt handelt Sheriff Wing, stets ohne Waffe und Uniform in den Weiten Vermonts an der amerikanischen Nordostküste unterwegs. Humorig und lesenswert!
Gerhard Roth / „Die Imker“
Ein Abschied! Oder, die Ahnung vom Ende?? Es ist auf alle Fälle sein letzter Roman, und es ist kein ganz einfaches Buch, aber das waren Roth-Bücher ohnehin nie. Den Melzer erinnerte die Geschichte ein wenig an „Die Arbeit der Nacht“ von Glavinic, ein gelber, dichter Nebel rottet nahezu die gesamte Menschheit aus, nur der Ich-Erzähler und einige Wegbegleiter überleben durch Zufall und versuchen sich in all dem Chaos neu zu orientieren. Wer Roth kennt weiß, wie wichtig ihm schon immer Bienen waren, in seinem letzten Buch erhalten sie reichlich Raum.
Wenn Ihr braven Leser:innen bis hierher durchgehalten habt, dann Hut ab!!
Es wird wohl nicht einfacher mit dem Melzer werden, da kann man sich durchaus auf was gefasst machen. Schon Ralph Benatzky hatte für sich vor langer Zeit in Anspruch genommen, „dass die Zeit und er sich auseinandergelebt hatten“. Dies galt wohl auch für den Melzer.
Aber noch waren Hopfen und Malz nicht verloren, noch spukten in seinem Gehirn die salbungsvollen Worte vom verstorbenen Stephen Hawking: „Schau nicht auf Deine Füße, schau auf die Sterne!“ Und so endet dieser Eintrag mit Ringelnatz, bleibt bitte dem Melzer gewogen.
Sommerfrische
(Joachim Ringelnatz)
„Zupf dir ein Wölkchen aus dem Wolkenweiß,
Das durch den sonnigen Himmel schreitet.
Und schmücke den Hut, der dich begleitet,
Mit einem grünen Reis.
Versteck dich faul in der Fülle der Gräser,
weil’s wohltut, weil’s frommt."
Im Übrigen war der Melzer nach wie vor der Meinung, dass man keine Produkte des Nestlé-Konzerns kaufen sollte. Und Mateschitz war ihm durchaus auch ein wenig
suspekt!! Was sich leicht dadurch ändern ließe, wenn sich der Getränkehersteller seriös dem historischen Zentrum von Badgastein annehmen würde. Es gäbe viel zu tun! Da könnte er sich ein Denkmal
setzen!
Die Kings of Convenience treten übrigens am 27. September 2022 im Wiener Volkstheater auf!!
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Eva Saltis (Donnerstag, 21 Juli 2022 18:30)
Lieber Melzer,
ich habe den Beitrag in einem gelesen und deinen Schreibstil wie immer sehr genossen. Die Beschreibung mancher Dinge fand ich überaus köstlich.
Nicht zu vergessen die tollen Fotos.
Vielen Dank, dass du dich nach längerer Zeit wieder aufgerappelt hast deine Eindrücke zu Papier zu bringen.
Mit lieben Grüßen
Eva
Martin W. (Sonntag, 24 Juli 2022 09:18)
ACHTUNG das Lesen des Melzer-Blogs macht süchtig !
Der Sonntag beginnt gut mit Kaffee und Melzerblog vor mir am Schirm sitze ich vor dem PC und grinse so vor mich hin. Die Sichtweise auf viele Dinge deckt sich mit der Melzermeinung 100% bei den Jeans 1000% . Ich habe es geschafft meine Jeans immer selbst in diesen "Fetznlook" zu bringen oft in Rekordzeit. Machmal scrolle ich zurück und lese einen Teil 2-3x einfach zu schön wie du die Dinge auf den Punkt bringen kannst. Deine Beschreibung der Kurgastgruppen treibt mir vor Lachen die Tränen in die Augen. (dafür verleihe ich dir den Orden "Chilli-Eyes") gggg - Immer wieder, selbst bei Plätzen die ich selbst besucht habe hat der Melzer noch ein Eck entdeckt das mit entgangen ist. Tolle Fotos dazu und die Musik&Bücher Wühlkiste am Ende machen den Blog zum Erlebnis ( Alex Miksch - ein Urgestein mit "KREMS" ist ihm ein wieder eine wunderbare CD gelungen. Auf John Irving warte ich auch schon) In Vorfreude auf den nächsten Blog wünsche ich dir einen schönen Sommer und wenn es der Zufall so will laufen wir uns beim Hr.Karl sowieso über den Weg.
Liebe Grüsse
Martin
Wolfgang (Montag, 25 Juli 2022 12:04)
Natur + seit 21.7. 17:36 2.Bezirk Ortszeit , Maileingang : Der Bergkrebs hört das Echo des Flusskrebses , die Steine summen mit den Alpenrosen , der Kurer verkauft seine Wanderschuhe , Van Morrision verkriecht sich in die Keller Belfasts , die Herrn der Lage suchen den Anschluss an die neue Lage , der Melzer ruht aus ( alles gesagt ? welches Bild lässt ihn ruhen ? ) , die Jalousie , ja was...., die Bergziege und die Quelle kennen die Melodie des Bergkrebses , die Bannwälder löschen die Kummernummer.....und dann kam der Regen(er) , ich muss den Melzer anmorsen
Danke und Schifahren lernen ohne Lift