ACHTUNG: Der nachfolgende Artikel kann Eure Gesundheit gefährden, Langatmigkeit und chronische Müdigkeit erzeugen.
"Niemand ist eine Insel." (J.M. Simmel)
Der Satz gefiel dem Melzer, denn dieses Jahr war das Vergnügen groß, gleich zwei Inseln in den nördlichen Lagunen der Adria besuchen zu können. Und mit nachfolgenden Worten hatte er Euch wohl schon mehrere Male in den Einträgen über Grado sekkiert, aber es blieb dabei, der schönste Sommer war der Herbst an der nördlichen Adria. Was ihm durchaus auch von einigen Einheimischen bestätigt wurde. Leider bewahrheitete sich dieser, tatsächlich vom Melzer kreierte Spruch, mit den klimatischen Veränderungen immer mehr.
Beginnen möchte er mit einer zärtlichen Liebeserklärung. Zum dritten Mal in den letzten 15 Jahren ging es nach Chioggia, der kleinen, raueren Schwester von Venedig, wieder in das ach so schön am Ende der Altstadt gelegene Hotel Grande Italia, nach der Renovierung im Jahr 2015 zu einem ziemlichen Nobelschuppen mutiert. Dennoch mit dem liebsten und freundlichsten Personal, das man sich nur vorstellen konnte. Allein das Frühstück im denkmalgeschützten Saal mit Blick in Richtung Venedig war der Hammer. Es war dem Melzer gar nicht bewusst gewesen, wie sehr er an Chioggia hing, wie sehr ihn die knappen 3 Tage in diesem pittoresken Ort mit Freude erfüllten. Der Ort, aber vor allem seine lebenslustige und kommunikative Bevölkerung machten die Zeit dort zu einem lebendigen Theater, das scheinbar rund um die Uhr entlang der Piazza Grande bespielt wurde. Eine weitere Wiederkehr zu einem späteren Zeitpunkt ist ganz einfach unumgänglich!
Den etwas anderen Delta-Varianten auf der Spur, besuchte er die Einmündungen von Po und Isonzo. Den beiden bedeutenden Flüssen des nördlichen Italiens die Aufwartung zu machen, war längst an der Zeit. Schon so viele Male hatte man sie auf diversen Durchreisen überquert, schon so viele Sendungen und Dokumentationen hatte man über sie gesehen. Galt der Po als wichtiges Reisanbaugebiet und „Lebensader“ des Nordens, haftete dem schönen Isonzo nach fast 100 Jahren immer noch der belastete Ruf des grausamen Kriegsschauplatzes an.
Heute zählen zum Glück die beiden Einmündungen in die nördliche Adria zu den wichtigsten Naturschutzparks Italiens. Von Chioggia kommend und auf dem Weg ins Po-Delta erreicht man u.a. auch den Ort Adria. Und ja, tatsächlich dürfte der Ort, der bereits von den Etruskern besiedelt wurde und damals eine Hafenstadt war, Namensgeber für „unseren“ bekannten Teil des Mittelmeeres gewesen sein. Mittlerweile liegt die Küste 15 Kilometer entfernt, die Verlandung ist in den letzten gut 2000 Jahren doch ziemlich vorangeschritten. Kaum zu glauben, dass es sich damals um eine Pfahlbausiedlung gehandelt hat. Ein charmanter Ort mit knapp 20.000 Einwohnern und einer bewegten Geschichte. Das archäologische Museum zeugt von dieser Vergangenheit.
Und wenn man sich schon in der Provinz Rovigo aufhält, dann sollte man doch auch der gleichnamigen Provinzhauptstadt einen Besuch abstatten. Rovigo nennt knapp 50.000 Einwohner sein eigen, und liegt im sogenannten Schwemmland zwischen Po und Etsch, der etwas südlicher als der große Bruder in die Adria mündet. Das stark befestigte Städtchen, weil immer wieder durch unterschiedliche Kräfte als Ziel einer Eroberung auserkoren, emanzipierte sich in den letzten Jahren als kompetente Hochschulstadt in den Bereichen Textilien, Möbel und Metallverarbeitung.
Auch ein Geständnis sei hier angebracht, der Ausflug ins eigentliche Po-Delta fiel einer Heerschar von Mücken zum Opfer, an ein Aussteigen war an diesem Tag nicht zu denken, dafür war einige Tage später der Radausflug mit dem Schwager zur Mündung des Isonzo von Erfolg gekrönt. Auf verbotenen Pfaden näherte man sich einem bereits leicht verfallenen Aussichtsturm, von dem man einen fantastischen, wenn auch recht gefährlichen Ausblick über die Mündung und den Golf von Triest erleben durfte. Unglaublich, wie die Verlandung durch das Geschiebe des Flusses voranging.
Schöner Nebeneffekt dieses Vorhabens war, dass der Melzer innerhalb einiger Tage mehrmals die Ein- und Ausfahrt in zwei sehr schöne Lagunen vornehmen durfte, in Chioggia durchaus sehr kontrastreich, auf der einen Seite die geschichtsträchtige Altstadt, auf der anderen Seite der immer noch recht umtriebige Hafen mit seinen Kränen und Schiffen. Die schon sehr bekannte Querung der Gradeser Lagune ließ erkennen, dass man in ein sehr großes Naturschutzgebiet einfuhr, die störenden Bausünden der letzten Jahre ließen sich so oder so leider nicht schönreden!
Der richtige Aperitif zur richtigen Zeit
Jedes Land, jede Region verteidigte sein/ihr unverrückbares Rezept des perfekten Aperitifs. Das begann in Ottakring mit dem weißen G’spritzten und endete irgendwo in der Karibik bei einem klassischen Rum-Aperitif.
Der Melzer widmete sich mit einigem Kopfschmerz repräsentativ zwei Klassikern aus Italien, dem alten Urgestein namens „Negroni“, der seine Wurzeln in Florenz hatte, sich aber entlang der nördlichen Adria seit vielen Jahren großer Beliebtheit erfreute, sowie dem „Select Aperitivo“, einem venezianischen Klassiker, der dieser Tage seinen 100sten Geburtstag feierte. Böse Zungen würden ja behaupten, dass der Negroni in Wien, seit Peter Friese sein Imperium um die Bar Campari erweitert hatte, die zweite Geburtsstunde erlebte. Geschmacklich mundete der klassische Aperitif aber südlich der Karawanken schon ein wenig anders. Es handelte sich um den Drink des Grafen Negroni, der ein ziemlicher Windhund gewesen sein muss. Ein herzliches Dankeschön an seine Adresse! Und ein Dankeschön an die Bartender des Hotel Savoy für die Zubereitung.
Die Rezeptur:
Zu gleichen Teilen Campari, Gin & Wermut, ein bisserl Eis und eine gute Scheibe einer Orange. So einfach ging ein Klassiker!!
Ein etwas jüngerer Schwerenöter, der dem Melzer geschmacklich sogar ein wenig mehr zusagte als der Negroni, war der „Select Aperitivo“. Irgendwann um 1920 von der Destillerie PILLA kreiert, erfreut sich der leicht bittere Aperitif zunehmender Beliebtheit, wie der Melzer erleben durfte, speziell in Chioggia, der kleinen bösen Schwester von Venedig.
Die Rezeptur des „Select Aperitivo“:
Grundbestandteil ist der „Select“, ein Bitter, bestehend aus ungefähr 30 Pflanzen, mit einem ziemlich bittersüßen Aroma. Zu zwei Teilen „Select“ fügen sich drei Teile Prosecco, etwas Soda, Eis und eine grüne Olive.
Beide Aperitifs zeichnet ihre dezente Herbheit aus, die dem ewig grantelnden Melzer mehr als entgegenkam!
Das Ypsilon-Phänomen
Eine kleine, durchaus interessante Anekdote, wie sie ev. nur in Italien passieren kann und auch aufzeigt, welchen Druck die Konsumenten im entscheidenden Fall aufbauen können:
Ungefähr im Jahr 2015 entschied die Führungsspitze des Fiat-Chrysler-Konzerns, noch vor dem Zusammenschluss mit dem PSA-Konzern, die Traditionsmarke LANCIA „sterben“ zu lassen, den zweiten Halbtoten namens „Alfa Romeo“ jedoch weiterhin als verlustbringenden Zombie durch die Welt zu schicken. Sogar als hinterherfahrende F1-Marke.
Doch hatte der Konzern die Rechnung ohne die italienischen Konsumenten gemacht, die das Volumenmodell Lancia Ypsilon ins Herz geschlossen hatten und auf die Barrikaden gestiegen sind, als der Verkauf eingestellt werden sollte. Der Melzer konnte sich eigenäugig davon überzeugen, nach bereits einem Tag hatte er, egal wo im nördlichen Italien, damit aufgehört, die täglich erspähten Ypsilons zu zählen.
Langer Rede, kurzer Sinn, der Ypsilon verkauft sich in Italien wie die warme Semmel, die zu Grabe getragene Marke „Lancia“ wurde reaktiviert, wenn auch nur in Italien. Es gibt kein Händlernetz, der schnuckelige Kleine wird via Fiat mit verkauft. Und mittlerweile gibt es sogar wieder eine Webseite Lancia.it, auf der sich ein einzelnes Modell findet, der Ypsilon.
Udine - die elegante Stadt am Ausgang des Kanaltals.
Auch schon öfters an dieser Stelle erwähnt, war man in Grado stationiert, lohnte stets ein Ausflug an den schönen Küstenabschnitt zwischen Monfalcone und Triest, mit seinen Buchten, kleinen Häfen und Schlössern. In Triest selbst war das Mindeste ein Illy gemeinsam mit einer der vielen wunderbaren Süßigkeiten im legendären Eppinger. Und am späteren Nachmittag, wenn sich die Sonne neigte und die Gegend in ein wunderbar weiches Licht tauchte, dann auf einen Sprung in die Bucht von Sistiana oder Duino, wo es sich bei einem Aperitif so richtig gut chillen ließ. Egal von wo, schweifte der Blick über den Golf von Triest oder auf die Schlösser von Duino oder Miramare, man war dem idealen Tag ein ganzes Stück näher!
Nach wie vor ein fixer Bestandteil der Aufenthalte in Grado war das allmorgendliche Ritual, nach dem Sonnenaufgang entlang des Meeres den Ort zu umrunden. Zugegeben, mit zunehmenden Alter fiel dem Melzer das frühe Aufstehen ein wenig schwerer, war man jedoch erst einmal am Wasser, lauschte man dem Säuseln der Wellen, dann lohnte sich die kleine Mühe jedoch schon wieder. Applaudierten dann am Ende der Mole auch noch die kleinen Krebse, na was wollte man mehr??
Tage in Grado zu verbringen war doch ein wenig wie Heimkommen, und der Melzer kam stets gerne heim. Es gab Plätze, die man liebte, es gab Lokale, die auch nach 20 Jahren nicht enttäuschten, es gab Menschen (speziell im Savoy), die einem mittlerweile sehr vertraut wurden. Eigentlich ein schöner Abschluss für diesen Eintrag. Und damit aus..
Wühlkiste (Buchtipp)
Sven REGENER – „Glitterschnitter“
Obwohl es bei Regener und seinen Lehmann-Geschichten zuging wie im Star Wars-Imperium (zeitliches Durcheinander permanent an der Tagesordnung..), freute man sich während der Lektüre einen Haxen aus, all die skurrilen Typen wieder erleben zu dürfen, man hatte sich mittlerweile ja an sie ziemlich gewöhnt. LESENSwert!!
Songs of Boda / "Garland"
Songs of Boda - was soll das?? Es ist ein AKA, wenn Ihr wisst, was der Melzer damit sagen will, denn es verwirrte ihn vor einigen Jahren ebenso, wie vielleicht Euch gerade jetzt. Daniel SKOGLUND heißt der schwedische Singer-/Songwriter, unbeschwert und zart luftig kommen seine Kompositionen an, und sie enthalten ALLES, was zeitgenössische Songs beinhalten sollten.
Der Melzer mochte in aktuell sehr, da lag schon eine musikalische Liebe dahinter, die vormals einem Van Morrison oder einem Glen Hansard gehörten, wenn auch nicht vergleichbar...
Ach ja, ein kleines PS sei dem Melzer am Ende doch noch erlaubt, er konnte halt einfach seine Pappen nicht halten. Adressiert an alle, die mit dem Datenschutz so ihre Probleme haben: Ihr müsst leider künftig zu Hause bleiben, denn in Italien wird gefilmt & fotografiert was das Zeug hält, ja selbst in allen Parkgaragen und auf größeren Parkplätzen (mehrmals in verschiedenen Städten erlebt) wird bei der Ein- und Zufahrt das Kennzeichen aufgenommen um wenige Sekundenbruchteile später bereits auf dem Parkticket zu erscheinen. Allerdings hatten die Kameras so ihre Probleme mit dem Auseinanderhalten von 9 & 5. Der große Bruder wacht tatsächlich über uns...
Angezahlt hatte der Melzer seine Riva schon.. ;-))
Kommentar schreiben
Anna Domschitz (Donnerstag, 30 September 2021 20:02)
Diese Fotos und dieser Text ��� einfach großartig!!!!