Auf der Suche nach dem Licht!

Das Werbesujet "Mutter & Kind beim Blick in die Sonne" entstand 1926, Künstler Josef Auchentaller.

Die touristischen Horden des Hochsommers haben Grado längst verlassen. Die Sonneninsel atmet ein wenig erschöpft durch, die einheimischen Originale gewinnen wieder die Oberhand. Angenehm wird auf den gepflasterten Gassen der Altstadt das Licht der Sonne reflektiert.

 

Die fünfte Jahreszeit, wie Kurt Tucholsky sie nannte, war angebrochen. Es ist noch nicht kalt, aber alles ein wenig anders. Mittlerweile durfte sich der Melzer ja selbst zitieren, „der schönste Sommer war der Herbst in Grado“. Herzlich Willkommen bei den sich 2x jährlich wiederholenden Zeilen der Langweiligkeit.

 

Ein Grund dafür, dass man trotz bereits oftmaliger Überlegungen nicht schon direkt in Grado Quartier bezogen hatte war der, dass man wohl dieses ewige, freudige Gefühl der Wiederkehr verlieren würde, dieser wonnige Schauer, der sich jedes Mal auf Höhe der ehemaligen Bahnstation Belvedere  einstellte, das Wissen, dass sich in wenigen Sekunden die nahezu unendliche Weite der Lagune öffnen wird, ein wohl niemals überdrüssig werdendes Schauspiel.

 

Es ist nicht immer das Außergewöhnliche, das den Melzer an der ewigen Wiederkehr so faszinierte, wohl eher die sich beim Betrachter sofort einstellende Normalität der Insel, sobald man diese erreicht hatte. Das Säuseln des Meeres, die sich im Wind so elegant treiben lassenden Möwen, die Sprachfloskeln der Einheimischen, die sich zufällig und stets gelassen während einer Radfahrt trafen.

 

Schon einmal hatte unsere Schrulle den Faden vom Geisterschiff und der Familie Auchentaller aufgenommen, da er die wunderbar geschriebene und akribisch erstellte Arbeit von Egyd Gstättner sehr schätzte. Dieser Faden wird für den vorliegenden Eintrag gerne wieder aufgenommen, versteht sich doch von selbst. Als Grundlage dafür sollen einige Zitate aus dem Buch „Briefe aus Grado“ dienen, die den Briefverkehr von Emma und ihrem Josef mit der Familie Scheid wiedergeben. Kursiv und andersfarbig abgebildet, um ev. Probleme mit dem Urheberrecht zu vermeiden. Das sehr interessante Buch wurde übrigens von Christine Casapicola herausgegeben.

 

Zusätzlich möchte der Melzer auf ein paar durchaus schon bekannte Schlagwörter wieder einmal näher eingehen, wie z.B.:

 

DAS LICHT

Um diese Jahreszeit wahrlich ganz besonders! Der doch schon bedeutend flachere Sonnenstand zauberte in Kombination mit den Reflexionen des Wassers und der Klarheit der Luft zu jeder Tageszeit impressionistische Meisterwerke am laufenden Band, sodass der Name dieses Eintrags durchaus Programm wurde. Man konnte sich eigentlich gar nicht daran sattsehen. Ein kleines Geständnis am Rande, erstmals hatte es der Melzer tatsächlich geschafft, ohne Kamera die Reise anzutreten, als einziges fotografisches Helferlein diente die durchaus eh ganz gute Zeiss-Linse seines in die Jahre gekommenen Windows Phone.

 

Grado, 29. Jänner 1903, Emma an die Mutter

 

„Wenn ich an Eurer Stelle wäre, ich würde keinen Winter mehr im Norden verbringen. Wir hatten gestern wieder einen herrlichen Tag. Es war ein Tag, dass man immer hätte singen wollen, so schön, so rein, die herrliche Luft und keine Spur von Wind und warm wie im Mai.“

 

DER RILKEWEG / DUINO

 

Niemals hätte es der Melzer für möglich gehalten, dass einem Anfang Oktober auf diesem wunderbaren Stück Natur ähnlich die Sinne schwinden konnten, wie vor einigen Jahren im Frühjahr, als er den Rilkeweg zum ersten Mal entlangspazierte, von einer Wanderung zu sprechen, wäre ja wohl doch ein wenig übertrieben.

 

Damals im April begann die Pflanzenwelt in ihrem Wachstum gerade zu explodieren, was in der Kombination mit der warmen, mediterranen Meeresluft zu einer wahren Duftorgie geführt hatte. Nicht ganz so ausufernd, aber immer noch wohlig warm und durchaus gut riechend präsentierte sich die Natur an diesem Herbsttag. Der Ginster verströmte sein charakteristisches Aroma, über die kleine Steilküste zog eine wohlig warme Brise herauf, den Rest besorgte die funkelnde Adria unter einem stahlblauen Himmel. Kitschig? Und wie, aber schön!! Wenn man dann in Duino im Ristorante "Il Cavalluccio" mit frischem Meeresgetier versorgt wurde, kam dies schon ziemlich einem perfekten Tag nahe!! Und die in den letzten Jahren zugenommene Dichte an Gästen aus der Immobilienbranche und den Anwaltskanzleien des Nordens musste man halt in Kauf nehmen. Am Rilkeweg traf man sie aber ohnehin nicht, dafür war der Range Rover zu breit!!

Grado, 14. September 1903, Emma an den Vater

 

„Gestern wurde Grado durch eine Windhose gestreift. Dem Fortino geschah außer einigen gebrochenen Fensterscheiben nichts, aber das Wienerrestaurant ist ganz windschief und muss zum Teil abgetragen werden. Bei Bianchi hat es zwei Dächer sehr arg abgedeckt, die Volksbäderhütten sind vom Strand verschwunden…“

 

UDINE / PORDENONE / PORTOGRUARO

 

Wollte man Land und Leute der Region ein wenig näher kennenlernen, dann lohnte der Ausflug in die o.a. Orte durchaus. Udine kannte man ja ohnehin, sozusagen das Eingangstor in die mediterrane Welt des Südens, elegant, wohlhabend, hatte man einmal die Piazza Giacomo Matteotti erreicht, wähnte sich der Betrachter schon durchaus in einer mittelitalienischen Stadt, und nicht knapp 80 km von der Staatsgrenze entfernt. Hier begann das Italien, wie es sich der kleine Schmid in seinem Kopf zusammenreimte. Pordenone, Hauptstadt der gleichnamigen Provinz, präsentierte sich ein ganzes Stück kleiner, aber ebenso elegant. Man schlenderte durch die langen Arkadengänge der Altstadt und genoss die Annehmlichkeiten der Cafés, wie u.a. dem Traditionshaus Peratoner. Zuletzt Portogruaro, den meisten Menschen nur vom Namen her bekannt, wenn sie die Stadt eilig in Richtung Caorle querten, um an den ersehnten Strand zu gelangen. Zu Unrecht, denn Portogruaro hatte sich in den letzten Jahren ziemlich gemausert, ein ausgedehnter Spaziergang entlang der alten Mühlen und Kanäle lohnte wahrlich.

 

Grado, 28. Mai 1910, Emma an die Eltern

 

„Wir hatten einen recht stürmischen Mai im Haus, nun habe ich den Wunsch aller erfüllt, der Koch ist weg, nun hoffe ich auf Ruhe. Es war entschieden trotz mancher guten Seiten ein Missgriff und etwas habe ich auch dabei gelernt, ich darf keine Änderungen machen, die dem Haus einen anderen Charakter geben würden. Es ist seit jeher eine Weiberwirtschaft und die muss bleiben…“

 

GROTTA GIGANTE

 

Der Name wurde dieser Sehenswürdigkeit, die der Melzer - zugegeben - die letzten Jahre links liegen gelassen hatte, sehr wohl gerecht! Kein Foto dieser Welt konnte die Dimension dieser unterirdischen Riesin einfangen, über 500 Stufen geht es knapp 160 m in die Tiefe, darunter befinden sich nochmals 120 m tiefe Schächte, die jedoch nicht besichtigt werden können. Nicht umsonst gilt die Grotta Gigante als größte Schauhöhle der Welt. Ab den ersten Stufen des Abstiegs mehr als eindrucksvoll!!

 

"HEIMKOMMEN"

 

Ach, so viel gab es in der gesamten Region zu sehen, die Gegend rund um den Karst, das Weingebiet des Collio, Triest hatte der Melzer dieses Mal noch gar nicht erwähnt, die Hügel rund um San Daniele, die ausgedehnte Lagune bis Marano, ja sogar bis Lignano hinüber, Langeweile ließ die nördliche Adria erst gar nicht aufkommen. Und dennoch war es stets immer wieder schön, über die lange Brücke "nach Hause" zu kommen, retour nach Grado. Und zumeist retour ins Hotel Savoy, dass an dieser Stelle auch erwähnt werden musste. Man kannte die meisten Menschen im Hotel seit vielen Jahren, wähnte sich stets willkommen, man fühlte sich durch und durch wohl. Schön!

 

Grado, 30. Juni 1912, Josef an die Schwiegermutter

 

„Da Emma so angehängt ist, will ich Dir wieder einmal Nachricht geben, wie es hier bei uns geht. Das Fortino ist voll, fast übervoll. Du wirst lachen, wenn ich Dir erzähle, dass ich viel in der Küche bin und durch mein populäres Talent viel beitrage, dass überall größte Ruhe herrscht. So anständig, wie bei uns gekocht wird, wird es wohl kaum in einem anderen Haus sein. Wir wissen ja gar nicht, wo wir die Leute im Saal hinsetzen sollen…“

 

IN EIGENER SACHE...

 

Und jetzt bitte ned auf die Idee kommen, und vielleicht in Erwägung ziehen nach Grado zu fahren. Der Melzer war kein Influencer, oder wie diese jungen Blogger hießen, die bereits kurz nach ihrer Kindergartenreife monatelang über die Wirkung eines neuen Eukalyptustees berichten konnten. Kroatien hatte die viel schönere Küste, die Fische schmeckten ähnlich, nur der Kaffee war halt schlechter. Aber bitte davon ja nicht abhalten lassen dorthin zu reisen, oder sonst wo hin. Bitte nur nicht nach Grado, das wäre ja noch schöner...

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 3
  • #1

    Doris (Samstag, 13 Oktober 2018 21:42)

    So schön Peter, Danke, hast uns so viel gezeigt, wir durften daran alle teilhaben. Schönen Sonntag noch!

  • #2

    EVA (Samstag, 13 Oktober 2018 22:26)

    Eigentlich sollte man gleich die Koffer packen und nicht nach Kroatien oder sonst wo hin reisen sondern nach …..

  • #3

    Martin (Sonntag, 14 Oktober 2018 22:45)

    Duino im Ristorante "Il Cavalluccio" - OMG mir läuft sofort wieder das Wasser im Munde zusammen - schlicht und ergreifend der perfekte Platz und eine Schlemmerpause.
    (da sollte man auf jeden Fall gewesen sein)