Beginnen wir die Geschichte ganz einfach am Ende! An einem Samstagabend im Ristorante des familiären Albergo "La Lanterna" in Sarteano. Rita, unser umtriebiger, guter Geist der letzten Woche, Herrin über fünf (!) Hunde, servierte noch "un Cafè" oder das ominöse Glas Vin Santo, die Hütte, während der letzten Woche eher spärlich besucht, brummte an diesem Abend, es brummte die lokale Bevölkerung.
Am Holzkohlengrill brutzelte die Bistecca alla Fiorentina, vom Chef selbst zubereitet, aber so, wie man sie in bella Vienna nie serviert bekommen würde, nicht einmal im Il Mare. Und die köstlichen Pici al Ragu, vor knapp einer Stunde verputzt, sorgten bereits für das obligate schlechte Gewissen, wie man sich der angefressenen Kilo wieder entledigen wird können. Herzlich willkommen bei der Teilnahme an einer sentimentalen Reise der besonderen Art.
Die kleine Gruppe hatte vor 20 Jahren, mehr oder weniger, die gesamte Toskana sowie das benachbarte Umbrien über einen mehrjährigen Zeitraum abgegrast. Man konnte getrost sagen, dass bis auf das Chianti, schon damals ziemlich touristisch verseucht, keine Ecke vor den Suchenden sicher gewesen war. Danach ging jeder seiner Wege, wurde Oma oder Opa, Pensionist oder begab sich in die Selbständigkeit, kurz und gut, "ka Zeit" für gemeinsame Reisen dieser Art.
Erst jetzt kam es zu diesem Revival, und die Woche gestaltete sich, wie wenn man von der vorletzten gemeinsamen Reise gerade erst retour gekommen wäre. Harmonie! Als Ausgangspunkt für die täglichen Ausflüge diente, ob seiner geografisch perfekten Lage, der kleine Ort Sarteano, und dort das kleine, familiäre Hotel "LA LANTERNA", Fotos siehe oben. Möglichst kurz formuliert: Lage hervorragend, wenige Kilometer von der A1, von Montepulciano oder Chiusi + Lago Trasimeno entfernt, die Küche große Klasse, so gut und vielseitig, dass die kleine Gruppe gar nicht mehr außer Haus essen wollte, sogar am offiziellen Ruhetag kochten die Betreiber extra auf. Weine aus eigener Produktion, und keine schlechten Tröpferln, dazu noch Preise, die einem die Schamesröte ins Gesicht trieben. Ganz großer Wohlfühlfaktor!!
Der Melzer, unter dem wachsamen Auge des Universums ja eher der Pessimist unter den Gleichgültigen, war natürlich sehr darauf gespannt, was sich in den letzten 20 Jahren so verändert hatte. Vieles NICHT, manches SEHR! Über weite Strecken dürfte, speziell in den ländlichen Gegenden wie rund um Chiusi, Pitigliano oder dem Hinterland der Crete (oben zu sehen), der touristische Wahnsinn ziemlich spurlos vorübergegangen sein, leider merkte man jedoch auch, dass aufgrund der schlechten italienischen Wirtschaftslage die Infrastruktur gelitten hatte. In Siena jedoch merkte man die touristischen Veränderungen natürlich sehr. Tatsächlich gab es z.B. in Sarteano noch Bars wie die Cafe Bar Milano, wo der Espresso in wahrhaft göttlicher Qualität noch unglaubliche € 0,90 kostete, ebenso das Glas des durchaus guten Weißen, die Pizzaschnitten dazu waren schon wieder gratis. Dafür kostete in Siena, selbst in einer öden Nebengasse, ein durchschnittlicher Espresso schon einmal € 2,50, was den an hiesige Preise gewöhnten Menschen ja ohnehin nicht sonderlich schreckte. Und wenn der Melzer an dieser Stelle schon einmal Siena erwähnt hatte, dann sollten doch gleich einmal ein paar Fotos folgen. Übrigens gab es auch in Siena noch ziemlich gute Lokale, diese Erfahrung durfte die kleine Gruppe zu Mittag in der Osteria Babazuf, Via Pantaneto 85 machen, die Steinpilzgerichte oder die Gnocchi, mein lieber Schwan!!
Kilometer wurden genügend gemacht, schließlich und endlich sollten die lang zurückliegenden Eindrücke ja wieder möglichst umfangreich aufgefrischt werden. Bis auf einen Regentag, der, mehr oder weniger - nicht nur zur Freude der Damen - im riesigen Outletvillage "Valdichiana" verbracht wurde, spulten die Gefährt(inn)en und der Melzer ihr Besichtigungsprogramm rigoros ab.
Chiusi mit seiner legendären Bar Centrale als Epizentrum aller bisheriger Reisen wurde ebenso aufgesucht wie Cortona, die einzigartige Kulissenstadt, die immer noch wirkte, wie wenn sie Franco Zeffirelli für eine Opernproduktion extra aufgebaut hätte. Das mitteltoskanische Zentrum mit seinen bekannten Orten Pienza, Montepulciano oder San Quirico d'Orcia, wo einem der Pecorino nur so durch die Nase tobte und der Nobile nur so durch den Gaumen und später durchs Hirn schwappte, die umbrische Schönheit Perugia, in all ihrer jugendlichen Leichtigkeit, bedingt durch die vielen Student(inn)en aus aller Welt, das doch schon ziemlich überlaufene Siena, die landschaftlich grobe Schönheit der Crete, wie in der zweiten Bildreihe ganz oben erkennbar, alles Orte, die einem zu jeder Jahreszeit noch immer ins Schwärmen geraten lassen.
Tja, (lange Pause) und dann gab es da noch zwei ganz besondere Orte, die der Melzer und die zweitbeste Ehefrau von allen (zur Erinnerung, mit der besten Ehefrau von ALLEN war damals ja Ephraim Kishon verheiratet gewesen..) ganz besonders liebten. BAGNO VIGNONI, das ehemalige Kurbad der Päpste, der einzige Ort Italiens, in dem die Piazza aus einem Thermalwasserbecken bestand, sowie im Süden der Toskana, bereits nahezu im Latium, aber doch nicht ganz, der pittoreske Ort PITIGLIANO, erbaut auf einem riesigen Tuffsteinhügel. Zwei Orte, zwei Plätze, wie aus der Welt gerissen, und sicherlich auch zwei Hauptgründe, warum man diese Reise nochmals angetreten hatte. Gefühle und Stimmungen ließen sich schwer beschreiben, man musste schon dort gewesen sein, um dies erklären zu können. Sie waren auf alle Fälle die Reise wert!!
Zum Abschluss noch einige Stichworte, die bisher noch nicht, oder nur am Rande gefallen waren: PICI, diese nudelige
Köstlichkeit, die sich in nahezu jeder Sauce wohlfühlte, aber eigentlich nur in der Toskana. WOCHENMÄRKTE, die man speziell in der Toskana und in Umbrien aufsuchen sollte,
sie spiegelten perfekt das lokale Leben dieser Region wieder. RIBOLLITA, die bäuerliche Brotsuppe, ehemals ein Armenessen, heute die Gelegenheit, den unerfahrenen Esser
bedingungslos in die Knie zu zwingen! SCHIZZATA BIANCA - eine Pizzavariante, hauchdünn, knackig, "nur" mit Mozzarella und Steinpilzen belegt, ein Geschmacksorgie.
Schlllllllließlich und endlich der VIN SANTO, der "heilige Wein", der es nach wie vor schaffen konnte, ein Hirn wunderbar zu vernebeln. In Form einer Dessertkombination,
bestehend aus einem wirklich alten und reifen Pecorino, gut gepfeffert, mit Honig und einem Glas Vin Santo serviert, ließ sich die geschmackliche Vielfalt der Toskana schon durchaus erahnen.
Wiese, Feld, Wald, Getier & ALLES, was sich daraus zubereiten ließ.
Die direkte Heimfahrt über gut 1.100 km konnte, so schön ein Aufenthalt in Mittelitalien auch sein mag, schon ordentlich zäh werden! Gut zu
wissen, dass es da selbst im ehemals so verschrienen Tarvis Lokale wie die Trattoria "Al Buon Arrivo" gab, die es dem Retourreisenden ermöglichte, auf durchaus hohem Niveau
noch einmal die wunderbare italienische Küche zu genießen. Echt, warum schaffen es die Menschen aus Tarvis, so wunderbare Gerichte zu servieren, und dennoch herrschte knapp hinter der Grenze,
also auf österreichischer Seite, die quälende, kulinarische Einöde??
PS: Der Nobile, mitgebracht aus der Toskana als Geschenk der Familie Giannotti mundete an einem kalten Oktober-Abend in Wien nahezu ebenso wie in den verklärten Erinnerungen vom Melzer.
Das nach wie vor unfassbare Pitigliano:
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