Um einmal ein wenig goschert zu sein: Durchaus getraute sich der Melzer mittlerweile zu behaupten, ein Irland-Kenner zu sein. Seit 2001 besuchte er in regelmäßigen Abständen die grüne Insel, und bis auf das oberste Zipferl des Nordwestens hatte er bereits alle Regionen abgegrast. Er kannte jeden dritten Kobold und so manche Fee. So freute ihn natürlich die Aufforderung sehr, doch auch ein paar launige Zeilen über Irland an dieser Stelle zu verschwenden. Schöner Nebeneffekt: Bei der Erarbeitung dieser Zeilen wurde die ganze Fahrt nochmals vor dem geistigen Auge abgerufen, so verlängerte sich natürlich auch die Intensität des Erlebten!
Und bevor es zum Nationalheiligen nach Downpatrick ging, drei sehr persönliche Anmerkungen:
Die Menschen
Für den Melzer ein bewundernswertes Völklein. Niemand hat die
Strapazen der Wirtschaftskrise im letzten Jahrzehnt bedingungsloser überstanden, als die Iren. Fast kein Gemeckere, im Wissen, dass die Jahre zuvor über die Verhältnisse gelebt worden war. Sie
sind ein oft recht eigenwilliger Menschenschlag. So gegensätzlich wie die Landschaften, ebenso felsig und schroff wie lieblich und grün, vereint auch ihr Charakter Melancholie und Toleranz,
Exzess und Unversöhnlichkeit, Neugierde und Verschlossenheit.
Gerüche/Landschaft
Absolute Suchtgefahr herrschte beim Melzer, wenn es um die Geruchskombination Stechginster/Meer ging. Schlicht einzigartig und unübertroffen! Bevorzugt in den Monaten Mai & Juni, da während dieser Monate der Ginster in Vollblüte steht.
Pubs
Das Wohnzimmer der Iren, und beileibe keine Übertreibung. Während der 15 Jahre seiner Inselbesuche und dem damit verbundenen Älterwerden kam der Melzer immer mehr zur Erkenntnis, dass ein Pubbesuch mit jedem zusätzlichen Jahr auf dem krummen Buckel interessanter wurde. Er konnte sich fast nicht vorstellen, dass eine junge, nach dem Leben hungernde Seele solch' einen Ort gutheißen konnte.
Drei obige Bilder wurden nur mit der alten Telefonkamera gemacht, da lag die Olympus noch im Koffer!
An den Start. Von Dublin in Richtung Norden zuerst einmal nach Downpatrick, um dem heiligen St. Patrick die Aufwartung zu machen. Wenn schon in Irland, dann sollte man ihn auch einmal besuchen, obwohl die Kleinstadt nicht gerade auf der direkten Route nach Belfast lag. Nahezu ein Pflichtbesuch! Unzählige Legenden ranken sich um den christlichen Missionar, sein Todestag wird alljährlich am 17. März als St. Patrick's Day gefeiert, DER Nationalfeiertag der Iren. Während der Melzer am Grabe des Heiligen verweilte, wachte ein unerbittliches Raubtier an seiner Seite!
Belfast, lange Jahre aufgrund der unruhigen Zeiten eher argwöhnisch beäugt, hat sich die Hafenstadt mittlerweile zu einem touristischen Schmuckkästchen gemausert, ohne Lokalkolorit zu verlieren. Die Iren ließen sich sowieso nicht biegen, egal ob im Norden oder Süden! Stationiert war der Melzer südlich des Zentrums, in einem entzückenden Häuschen mitten in einer Art "Gartenvorstadt". So konnte man am Abend genüsslich an blühenden Vorgärten entlangschlendern, vorbei an duftenden Rhododendren und Kamelien, bevor es in den Lokaltipp des Hausherrn ging, in eine Bar namens "The Albany". Tolle Küche, der erste genüssliche Pint Guinness und zum Abschluss erstmals einen feingekühlten Wodka der Marke "The Grey Goose". Aus Weizen in der französischen Region LA BEAUCE hergestellt. Wieder was gelernt, schöner Einstieg!
Das Zentrum Belfasts zeigt sich geprägt von Viktorianischer Architektur. City Hall, Grand Opera House, St. George's Market, Cathedral Quarter können zu Fuß innerhalb eines Tages in Ruhe besichtigt werden, dazwischen eine kleine Pause in einem der altehrwürdigen Liquor Saloons wie "The Crown", wo es stets auch wunderbares Pubfood gibt. So lässt sich die Stadt und ihre Menschen am besten kennenlernen. Im Hafengebiet wurde durch die Tourismusverantwortlichen mittlerweile eine eigene, kleine Welt geschaffen, die sich völlig dem Thema "Titanic" unterwirft. Eine reine Geschmacksfrage, wie weit man hier eintauchen will (nomen est omen), auf alle Fälle beeindruckend, wie weitläufig sich das Gelände zwischen Museum und dem ehemaligen Trockendock der Titanic gestaltet. Übrigens, Gary Moore, George Best und natürlich Van Morrison zählen zu Belfasts berühmteren Söhnen!
Antrim Coast Road - auf alle Fälle der schönste Weg, um von Belfast in den Norden zu gelangen. Raus aus Belfast nach Carrickfergus, und dann nur mehr am Meer entlang, manchmal sogar mit einem Blick auf die schottische Küste. Ja nicht hetzen, genießen, öfters stehenbleiben, die Luft einsaugen, den Blick genießen. Eine schöne Küstenstraße mit netten, kleinen Orten, in denen wiederum Lokale locken, um eine kleine Pause zu machen. Zumeist mit im Angebot, die "Soup of the Day" mit herrlichem "Brown Bread", ein wenig irischer Butter und einem Tee, der sogar den geliebten Pint vergessen ließ! Ein beeindruckender Landstrich, man konnte bereits erahnen, was da noch so folgen sollte...
Die zwei Seiten der irischen Nordküste. Wenn man sich schon einmal auf den Weg in den Norden gemacht hatte, dann gab es natürlich einmal drei offizielle Reiseziele "die man gesehen haben musste": Dunluce Castle, Giant's Causeway & Carrick-a-Rede-Bridge, zum National Trust gehörend und die drei Orte an der Küste, an denen man NIEmals allein sein wird. Das war die eine Seite!
Bog man z.B. unweit der Carrick-a-Rede-Bridge bei kleinen Ort Ballintoy Richtung Küste ab, kam man in die Whitepark Bay, und da spielte eine ganz, ganz andere Musik. Der Atlantik bot dort sein bestes Orchester auf, am Programm stand die Symphonie des wilden Wassers. Es toste und brauste wie kurz vor dem Finale. Am Himmel darüber das übliche Schauspiel, ein strahlend blauer Himmel wechselte im Takt der Minuten mit bedrohlich wirkenden Wolkenfetzen, quasi die passende Kulisse zu dieser Aufführung. Stechginster und eine bunte Blumenschar, denen das raue Klima nichts ausmachte, wiegten sich im Wind. Teile der Bucht wurden übrigens schon als Drehort für die Serie "Game of Thrones" okkupiert, dennoch fand man dort vor allem eines - die Einsamkeit in nahezu unberührter Natur. Der Melzer, mittlerweile staatlich anerkannter Zeitvertrödler, hatte schon ein schlechtes Gewissen, weil er so lange allein entlang der Küste herumschlich. Doch die Kameraden taten nichts anderes! Letztlich hatten die drei Taugenichtse in der Bay gut 4 Stunden verbracht, jeder an anderer Stelle, um nach dieser Zeitspanne mit einem breiten Grinser der Zufriedenheit und mehreren hundert Fotos auf den Speicherkarten wieder zusammen zu finden. Herrlich!
Dieses Erlebnis wiederholte sich einige Tage später, als die kleine Gruppe einem Tipp ihrer Fee (mehr von ihr gleich...) folgte, den Ritt in die Wildnis wagte, um am nordöstlichsten Zipfel der Insel gleich neben dem sogenannten Fair Head ein Stück Natur namens Murlough Bay zu suchen. Der Weg führte mehrmals "in the Middle of NOWhere", vorbei an kleinen Moorseen, verlassenen Cottages, wirklich blöd dreinschauenden Rindviechern und ungefähr 60.000 Schafen. Den richtigen Weg konnten sie uns natürlich nicht beschreiben. Schließlich folgte eine kurvenreiche Straße, die ihrem Namen nicht ganz gerecht wurde und ungefähr ein Gefälle von knapp 55 % aufwies. Unter sich sah man eigentlich nichts, am Horizont nur das Meer und Mull of Kintyre,
Fionnuala hieß nicht die Kanaille, sondern die oben schon kurz erwähnte Fee aus Ballycastle, bei der die kleine Gruppe während der Tage im Norden stationiert war. "Ard-Na-Mara" das dazugehörende Gästehaus. Der Melzer hatte sie bereits beim ersten Klingeln ihres Mobiltelefons ins Herz geschlossen, denn welch anderen Klingelton als "Brown Eyed Girl" von Van Morrison konnte eine Nordirin schon verwenden? Ihr Frühstück war eine tägliche Offenbarung, ihre Stimme rau wie die irische See, ihr Irish Coffee lebensrettend, denn die Nächte in Ballycastle konnten schon ganz schön anstrengend sein! Obwohl es sich bei dem kleinen Hafenort ja eher um ein Dorf handelte, denn bereits am zweiten Tag wussten Fionnuala, ihre Schwester (die im schrägsten Pub des Orts aushalf) und der Rest der Gemeinde über uns Bescheid. "Oh, the three crazy austrians are back..." Kein Wunder, wenn man nach der Sperrstunde über die Nebenausgänge aus dem Pub geleitet wird. Von unserer liebenswerten Hausherrin stammte übrigens auch die Überschrift dieses Eintrags, als sie uns den Weg in Richtung Murlough Bay beschrieb: "You can't get lost!"
Das Ard-Na-Mara lag sehr nahe des putzigen Ortszentrums, ein großer Vorteil! Denn die Straßen waren abends breit und leer genug, um uns wieder behütet in unsere Betten zu bringen. Hinter schlichten und einfachen Fassaden lauerten zum Teil wunderbare Lokale und ungeahnte "Gefahren", wo man nicht nur hervorragend essen konnte, sondern wo natürlich auch der Craic zu Hause war, wie es die Iren immer so schön formulieren. So erlebte der Melzer drei ältere, musizierende Herren, über die bereits die BBC Musikdokus gefilmt hatte, in einer anderen Bar durfte er die beste asiatisch-irische Fusionsküche seines bisherigen Lebens erfahren, und wenn man schon Austern ausprobieren möchte, dann sollte man es natürlich in einem Ort wie Ballycastle tun, denn dort wuchsen sie quasi vor der Haustür. Einmal wurde man von einem ehemaligen Freiheitskämpfer niedergeschwafelt, aber lieb, schrullig und neugierig waren sie ALLE! Standardfrage beim erstmaligen Betreten eines Lokals: "Are you foreign?"
Strategisch bildet Ballycastle für eine Erkundung des Nordens den idealen Ausgangspunkt, alle wahrlich interessanten Orte und Sehenswürdigkeiten sind innerhalb einer knappen Autostunde erreichbar, nur nach Bushmills sollte man sich eher chauffieren lassen, oder die Augen schließen, wenn man an einer der ältesten Whiskeybrennereien der Welt vorbeifährt.
Wie intensiv und schön die Tage im Norden tatsächlich gewesen sein mussten, zeigte sich auf der Retourfahrt nach Dublin. Die Luft war draußen! Obwohl Melzer & Co noch Station in Enniskillen machten, um den River Erne und seine durchaus auch interessante Landschaft zu erkunden, waren sie gedanklich noch immer bei der Schönheit des Nordens. Da gab es nix zu jammern, es zeigte eigentlich nur den Erfolg dieser Reise! Dennoch sollen natürlich auch die Fotos aus dem Landesinneren gezeigt werden:
Wieder in Dublin retour, noch immer mit der ganzen Schwärmerei im Schädel, unternahmen wir einen kleinen Ausflug nach Bray, weil aber der Tag auch so sonnig sein musste. Bray, ein alter, viktorianischer Badeort, knapp eine halbe Stunde südlich von Dublin gelegen, und zugleich größte Stadt im County Wicklow, öffnete uns bei einem ausgedehnten Spaziergang entlang der Waterfront das eingeklemmte Hirn. Es musste doch was mit der Dreifaltigkeit Meer/Küste/Ginster und der damit verbundenen Geruchskombination zu tun haben, dass sich sofort wieder dieses dämliche Grinsen in unseren Gesichtern breitmachte. Die Vorgangsweise der irischen Touristiker dürfte hingegen ziemlich perfide sein! Wir tippten auf heimlich in die Luft gepumpte Drogen, um die Touristenschar stets bei Laune zu halten, egal wie das Wetter auch sein mag.
Na ja, vielleicht war es doch gut, dass die Reise zu Ende ging. Doch nicht, ohne ein letztes der legendären Pubs aufgesucht zu haben! Es befand sich natürlich in Bray, also am Ende des langen Spaziergangs, nannte sich "The Harbour Bar", war 144 Jahre alt, wurde literarisch schon von James Joyce in seinem Roman "Finnegan's Wake" verewigt und hatte schon Größen auf seinen Barhockern sitzen bzw. schwanken wie u.a. Katharine Hepburn (die Dame soll ja ziemlich trinkfest gewesen sein...), Peter O'Toole, Laurence Olivier, Brendan Behan (der sowieso...) oder auch Bono! Im Inneren dürfte sich seit 1872 wenig verändert haben, jedoch nicht zum Schaden der einzigartigen Atmosphäre, es gab tolles Pub-Food und bei den Getränken kennen sie sich sowieso aus, die Iren! Slainte!
Enden lassen möchte der Melzer diesen Eintrag natürlich mit Van
Morrison, wenn er schon so schön auf Fionnualas Telefon spielt.
Alle Bilder Copyright beim Melzer!
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